Berlin. .
Die 61. Berlinale ist eröffnet. Zum Start setzen die Coen-Brüder in „True Grit“ den unvergleichlichen Jeff Bridges aufs Pferd und geben ihm eine 14-Jährige an die Seite, die mindestens so viel Schneid hat wie der Marshall mit Augenklappe: Hailee Steinfeld.
Isabella Rossellini strahlt, Jeff Bridges versteht sich selbst nicht und die Coen-Brüder erklären ihren neuen Film: Gestern wurde die 61. Berlinale eröffnet – mit einem Western, für den selbst eingefleischte Wildwest-Verweigerer ins Kino galoppieren werden. In den USA tun sie das schon.
„True Grit“ von Joel und Ethan Coen, für zehn Oscars nominiert, startet in Deutschland am 24. Februar. Die Geschichte fußt auf dem gleichnamigen amerikanischen Bestseller von Charles Portis, die erste Verfilmung mit John Wayne kam 1969 unter dem Titel „Der Marshal“ in die deutschen Kinos und brachte Hollywoods Chefcowboy seinen einzigen Oscar ein.
Das von Cineasten kultisch verehrte Regieduo Joel und Ethan Coen wollte kein Remake des Western-Klassikers, sondern eine Neuverfilmung des Romans. Mit Matt Damon, Josh Brolin und Oscar-Preisträger Jeff Bridges in der Rolle des versoffenen US-Marshals Rooster Cogburn, der sich in den frühen 1870er Jahren für 100 Dollar von der 14-jährigen Mattie anheuern lässt, um den Mörder ihres Vaters zu finden.
True Grit
Es ist Winter geworden in Arkansas
Das klingt nach einem traditionellen Genrestück mit raubeinigem Einzelgänger vor karger Westernlandschaft – und das soll es auch sein, ganz ohne Ironie. Nur mit dem Unterschied, dass hier eine Vierzehnjährige genau wie schon 1969 die Fäden in der Hand hält: Damals gespielt von der 21-jährigen Kim Darby, einer Kindfrau mit Bubikopf und Schmollmund, heute besetzt mit der 14-jährigen Hailee Steinfeld, deren brave Flechtzöpfe kaum darüber hinweg täuschen, wie knallhart dieser Teenager seine Sache verfolgt. Willensstark und unerschrocken, wie eine ältere Schwester von Huckleberry Finn und Pippi Langstrumpf. Dem Marshal kann sie locker das Wasser reichen, beide vereint, was die Amerikaner „true grit“ nennen: Mumm, Schneid. Hailee Steinfeld ist für ihre Rolle als beste Nebendarstellerin bei den Oscars nominiert.
Inzwischen hat auch der Rowohlt-Verlag den Roman wieder aufgelegt. Leider als „True Grit“ und nicht unter dem schönen alten Titel „Die mutige Mattie“. Dies ist jedenfalls das Buch, das Joel Coen vor Jahren seinem Sohn vorgelesen hat, was ihn auf die Idee mit der Verfilmung brachte.
Und so ist es nun Winter geworden in Arkansas. Während John Wayne noch unter gelben Birkenblättern und stahlblauem Herbsthimmel ritt, geraten der Marshal und das Mädchen bei den Coens in Schneematsch. Das kann man programmatisch verstehen: Die Coens erzählen die Geschichte nicht in der sauberen Ästhetik der 60er, sondern auf drastische und dreckige Weise sinnlich. Mit abgeschnittenen Fingern, fetttriefenden Haaren, faulen Zähnen und leeren Augenhöhlen. Die Landschaft, die früher nach großer Freiheit roch, atmet jetzt vor allem gesetzlose Einsamkeit. Was sich Jeff Bridges da als verwahrloster Südstaaten-Gangsterjäger zusammennuschelt hat? „Oh Mann“, sagt er, „ich weiß selbst nicht mehr, was ich da alles gesagt habe, tut mir leid, Leute.“
„Oh, das bläht mein Ego auf“
Im Luxushotel am Potsdamer Platz, wo Bridges (61) neben der aufgeregten Hailee Steinfeld wie der Alm-Öhi von Hollywood aussieht, hat Stunden zuvor Jury-Präsidentin Isabella Rossellini den dezenten Charme der klugen Frau versprüht. Wie es sich anfühle, dort oben auf dem Chefsessel zu sitzen, wird sie gefragt. „Oh, das bläht mein Ego auf“, sagt sie und lächelt entwaffnend. Und wird im nächsten Moment wieder ernst: Der Platz neben Rossellini ist frei geblieben - und sie wollen ihn freihalten, falls der in seiner Heimat inhaftierte iranische Regisseur Jafar Panahi doch noch zur Berlinale kommen sollte. „Seine Gegenwart“, sagt Rossellini, „ist für uns alle wichtig, auch wenn er persönlich nicht da ist.“