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Drei Geschichten und ein zufallspraller Schluss: Der 80-jährige Clint Eastwood macht in seinem jüngsten Film „Hereafter“ seinen Frieden mit der Welt. Dabei hat er eine ganze Schar exzellenter Schauspieler dabei, unter ihnen Matt Damon.
Es scheint so, als sei der 80-jährige Clint Eastwood voll von Geschichten, die er uns unbedingt noch erzählen möchte. Und es ist dabei vielleicht gar nicht so erstaunlich, dass sie wenig zu tun haben mit dem, was man früher von Eastwood als Regisseur oder Schauspieler erwarten konnte. Ein versöhnlicher Ton schwingt mit in den letzten Filmen des großen alten Kino-Mannes, als habe da einer seinen Frieden mit der Welt gemacht und wollte dies auch den Figuren auf der Leinwand mitgeben. Wenn sich sein neues Werk „Hereafter“ (Jenseits), das in dieser Woche in unseren Kinos anläuft, episodisch mit der Möglichkeit eines Lebens nach dem Tode beschäftigt, dann hat das nichts Missionarisches, nichts Esoterisches. Es scheint eher so, als wolle da einer seinen Mitmenschen eine Hoffnung eröffnen für etwas, von dem er selbst gern überzeugt werden würde.
Matt Damon mit Wärme
Drehbuchautor Peter Morgan arbeitet mit drei Erzählsträngen. Der erste zeigt uns die prominente TV-Moderatorin Marie (Cécile de France), die 2004 in das Tsunami-Chaos in Indonesien gerät und dabei eine Nahtoderfahrung macht: Unter Wasser treibend hat sie plötzlich die Vision eines lichten Raums mit vielen wartenden Menschen. Diese Bilder verfolgen sie derart intensiv, dass ihre Fernseh-Karriere bald ein Ende findet.
In San Francisco begegnen wir dem Arbeiter George (Matt Damon), der seit einer Operation am Hinterkopf die Gabe besitzt, bei Kontakt mit anderen deren Verstorbene zu sehen. Der Zuschauer sieht die Schübe, aber es bleibt unklar, ob all das, was George danach den hoffenden Menschen erzählt, tatsächlich eine Übermittlung aus dem Jenseits ist oder der Versuch, die Sehnsucht seines jeweiligen Gegenüber nicht zu enttäuschen.
Ein Arbeiter liebt Dickens
Es ist bemerkenswert, mit welcher Wärme und welchem Mitgefühl der Schauspieler seine Figur auszustatten in der Lage ist. Schon zuletzt in „Invictus“, wo Damon einen weißen Rugbyspieler in Südafrika verkörperte, hat Eastwood uns gezeigt, dass es auch bei einem vertrauten Schauspieler immer noch Neues zu entdecken gibt. Hier nun überzeugt er uns davon, dass auch ein amerikanischer Arbeiter abends verzückt zuhören kann, wenn Werke von Charles Dickens vorgelesen werden.
Im dritten Erzählstrang hat der Londoner Schüler Marcus keinerlei Visionen, aber er sehnt sich nach Gewissheit. Sein Zwillingsbruder Jason ist von einem Auto überfahren worden, und nun ist da plötzlich eine unerklärliche Leerstelle im Dasein des Überlebenden. Marcus trägt die Mütze des Toten, als ob er ihm dadurch näher kommen würde und grast im Internet sämtliche Seiten von Leuten ab, die von sich behaupten, ins Jenseits blicken zu können. Das bittere Ergebnis: ausschließlich Scharlatanerie.
Der Glaube an die Macht des Zufalls
Clint Eastwood ist ein Anhänger des „First Shot“, der die erste Einstellung einer Szene fast immer für die beste hält. Bedenken von Drehbuchautor Morgan, der Schluss des Films sei noch nicht perfekt, hat er deshalb auch nicht gelten lassen. Zugegeben: Alle drei Schicksale ausgerechnet auf einer Londoner Buchmesse zusammenzuführen, ist ein dramaturgischer Kraftakt, der den Glauben an die Macht des Zufalls braucht. Andererseits aber gibt das „Hereafter“ eine finale Sequenz, die den Zuschauer seelisch gewärmt aus dem Kino entlässt. Nichts will Eastwood beweisen, außer dass man über das Jenseits niemals das Diesseits vergessen darf. Und das Glück, das es gelegentlich bereithält.