Berlin.

Musik empfindet Charlotte Gainsbourg eigentlich als eine Bedrohung. Wohl auch deshalb ließ sie drei Jahre verstreichen, ehe sie nach ihrem Erfolgsalbum „5:55“ nun einen neuen Anlauf wagt: "IRM" heißt das Werk, wurde von Beck Hansen produziert und erscheint am Freitag. Es bietet eine Mischung aus Pop, Chanson und Weltmusik, der man in ihrer Luftigkeit so gar nicht anhört, wie schwer sich Gainsbourg getan hat.

Charlotte Gainsbourg müsste das Licht der Öffentlichkeit eigentlich gewohnt sein, entstammt sie doch einem Künstlerhaushalt - und zwar nicht irgendeinem: Sie ist die Tochter von Serge Gainsbourg und Jane Birkin. Schon früh setzte der Schauspieler und Chansonnier seine Tochter dem Rampenlicht aus: Mit 15 spielte sie in "Charlotte Forever" an seiner Seite in einem Inzestdrama. Für ihre Rolle in "Das freche Mädchen" wurde sie im selben Jahr mit einem César als beste Nachwuchsschauspielerin ausgezeichnet. Ihr Debüt als Sängerin gab sie mit dem Song "Lemon Incest" auf dem 1984 erschienen Serge-Gainsbourg-Album "Love On The Beat".

Schüchtern und introvertiert

Charlotte Gainsbourg. Foto: (c) imago
Charlotte Gainsbourg. Foto: (c) imago

Doch Charlotte Gainsbourg mag keinen Starrummel. Schüchtern und introvertiert ist die 38-Jährige. Während des Interviews spricht sie zögerlich mit leiser Stimme und wirkt nervös. "Ich wollte eigentlich kein zweites Album machen", sagt sie. Die Erinnerungen an die Aufnahmen mit dem französischen Produzentenduo steckten ihr noch in den Knochen: "Die Atmosphäre war sehr einschüchternd. Ich hatte seit 20 Jahren kein Studio mehr von innen gesehen. Und dann kamen die Erinnerungen an meinen Vater zurück - es war in gewisser Weise magisch, aber ich habe darunter gelitten."

Bis heute fällt es ihr schwer, aus dem musikalischen Schatten ihres Vaters herauszutreten. Geholfen hat ihr die Zusammenarbeit mit Beck, dessen eigenwilliger Produktionsstil nicht sofort an Serge Gainsbourg denken lässt, wenn er afrikanische Percussion, Chanson oder Reggae miteinander verquickt. Gainsbourg: "Beck verwandelt jeden Musikstil in seinen eigenen. Das hat mir geholfen, mich zu öffnen." Die Arbeitsatmosphäre beschreibt sie als "angstfrei". Auf die Anmietung eines großen Studios hat man verzichtet und "IRM" in Heimarbeit produziert. "Beck hat daheim einen Pavillon. Wenn man aus dem Fenster blickt, sieht man den Swimmingpool, alles ist sehr hell und offen. Die Studios in Paris sind meist dunkel und holzvertäfelt - schön, aber einschüchternd."

Gainsbourg hält sich nicht für eine gute Sängerin

Auch interessant

Und so schnitt Beck Rhythmusspuren zusammen, schlug Gainsbourg Melodien und Textzeilen vor, instrumentierte sparsam und wählte Samples aus. Sie sei keine gute Sängerin, findet Gainsbourg, ihr fehle eine eindrucksvolle Stimme und Ausdrucksvermögen. Nur ungern geht sie auf Konzerte: "Ich habe mir Fiona Apple, Cat Power und Radiohead angesehen. Jedesmal dachte ich: Das kann ich nicht."

Eine Tournee ist dementsprechend vorerst nicht geplant, aber Gainsbourg denkt immerhin darüber nach. Beck hat ihr gut zugeredet, eine Band zusammengestellt und ein paar Testgigs in kleinerem Rahmen eingespielt. Fast könnte man meinen, Madame wolle sich ein wenig bitten lassen. Charlotte Gainsbourg schüttelt den Kopf - energisch diesmal. "Schauspielerei liegt mir: Es ist Camouflage, man kann sich verstecken, alles ist durchgeplant bis ins Letzte. Mit Musik ist das anders: Die Möglichkeiten sind endlos. Und das macht mir Angst." (ddp)