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Modedesigner Tom Ford gelingt sein Regiedebüt „A Single Man“ mit einem grandiosen Colin Firth als trauernder Held. Literaturprofessor George Falconer ist nach außen ein Mann von Statur - innerlich ist er zerbrochen. Es ist der Anfang vom Ende, auf das Ford zusteuert.

Wie soll man den letzten Tag seines Lebens beginnen? Mit wehmütigen Erinnerungen, mit Tränen, Schmerz und seelischem Trauerflor? Nichts davon sieht man im Gesicht des Literaturprofessors George Falconer und doch ist alles da. Falconer hat sich nur sein Leben lang daran gewöhnt, seinen inneren Zustand nicht nach außen dringen zu lassen. Nach außen ist dieser gepflegte Endfünfziger ein Mann von Statur - mit großzügigem Haus, edlen Anzügen und Mercedes vor der Tür, eine tadellose Erscheinung. Innerlich ist Falconer nach dem Unfalltod seines Lebenspartners Jim zerbrochen. Die Bruchstücke seiner Existenz kehrt er nun jeden Morgen zusammen und kittet sie mühsam mit einem Klebstoff aus eiserner Disziplin und penibler Lebensroutine. Bis zum 30. November 1962, dem letzten Tag im Leben des „Single Man“, dem Designer Tom Ford in seinem ersten Kinofilm ein maßgeschneidertes Auftreten verleiht.

In einer Szene des Spielfilms
In einer Szene des Spielfilms "A Single Man", sind Colin Firth, links, und Julianne Moore zu sehen. © AP

Als Experte für den schönen Schein kann man Ford, dem amerikanischen Modemacher, der Gucci zu neuem Image und immensen Aufschwung verhalf, als Regisseur natürlich mit Skepsis begegnen. Wie viel modischen Chic, ästhetisches Arrangement und werbewirksamen Stilwillen kann ausgerechnet ein Film übers Trauern vertragen? Es schadet dem Film zumindest wenig. Denn Ford schildert das Scheitern dieses „Single Man“ auch als Scheitern am äußeren Anspruch, am zuletzt übermenschlichen Aufwand, den Anschein zu bewahren.

Und so beginnt der Film auch mit der sichtbar kräftezehrenden Prozedur des morgendlichen Ankleidens. Dann legt sich George die Pistole zurecht. Dazu ein Hemd, einen Anzug und eine Krawatte mit dem Vermerk „Windsorknoten“. Es ist der Anfang vom Ende, auf das Ford mal mit mattgrauen Erinnerungsfetzen, mal mit farbigen Rückblenden zusteuert - sie gehören wie Applikationen zu Falconers Gemütsgewand.

Tom Fords Verfilmung von „A Single Man“ nach dem Roman von Christopher Isherwood ist ein echtes Herzensprojekt. Ford hat das Buch nach eigenen Worten schon in der Jugend imponiert. Er hat jahrelang am Drehbuch gearbeitet und den Film am Ende sogar selbst finanziert. All das klingt nach einem heiklen Zuviel: zu viel Absicht, zu viel Wirkungswollen, zu viel Schönheit. Doch das Zuviel der ästhetisch aufgeladenen Bilder kontrastiert auf wundersame Weise mit dem großartigen Minimalismus von Hauptdarsteller Colin Firth, zurecht Oscar-nominiert.

Vernarbte Seele

Firth spielt diesen Einzelgänger wie ein Massiv aus versteinerter Melancholie. Die Schrunden und Wunden sind längst zu Seelen-Sedimenten geworden. Und wenn George in einer Rückblende noch einmal die Nachricht vom Tod seines Partners bekommt, wie abwesend hört, dass das Begräbnis Familiensache sei, also nicht seine, dann erfährt man auch viel über die gesellschaftliche Enge, die Ausgrenzung, die in den frühen Sechzigern regiert.

Gleichwohl ist „A Single Man“ kein Film über die Leiden eine schwulen Mannes, auch wenn Falconer am Ende noch einmal Verführung erfährt. Er trifft beim Zigarettenholen einen jungen, verführerischen Latino, der die grauschwarze Welt noch einmal in Pastellfarben taucht. Er verabredet sich auf ein letztes Abendessen mit seiner alten Freundin Charlotte (einmal mehr überragend souverän und verletzlich; Julianne Moore), die ihrerseits den Lebensverdruss mit Gin und mondänen Outfits betäubt. Und gerät an einen jungen Studenten (Nicholas Hoult), der Falconer Avancen macht. Er könnte für einen Moment neu anfangen. Aber das Hässliche am Leben ist seine schreckliche Unberechenbarkeit. Dafür hat auch ein Schöngeist wie Ford einen unbarmherzigen Blick.