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Wo bleibt der Spaß, wenn Vampire die besseren Menschen sind? Während Teenies in die Kinos strömen, um in der nächsten blutleeren Folge der „Twilight“-Saga zu schmachten, freuen sich Erwachsene auf die schmutzigen Blutsauger in „True Blood“.
Ein Vampir und ein Werwolf, dazwischen ein Menschenmädchen: Dieses Trio macht seit ein paar Jahren die Mädchen-Welt verrückt. Macht seine Erfinderin, die Autorin Stephenie Meyer reich und die Filmproduzenten noch reicher. Am Donnerstag läuft mit „Bis(s) zum Abendrot“ Teil drei der Twilight-Saga in den deutschen Kinos an, Teil vier und fünf sind in Arbeit - die Hysterie ist also noch lange nicht vorbei. Dabei waren Vampir-Geschichten selten so blutleer.
Mag damit zu tun haben, dass Haupt-Vampir Edward vegetarisch lebt und mit seinen 17, fast 104 Jahren, mehr auf die Tugend seiner Freundin bedacht ist als Bella selbst. Wo bleibt der Spaß, wenn die Blutsauger die besseren Menschen sind und völlig unauffällige Gebisse haben? Das werden sich auch die Macher der Fernsehserie „True Blood“ gedacht haben: Im schwülen Städtchen Bon Temps im US-Staat Louisiana sind die Untoten wie die Sterblichen blutrünstig und brünstig, und wenn die Blutsauger ausrasten, rasten die Reißzähne ein – Vampir-Geschichten für Erwachsene.
Feiern, bis es weh tut oder nach hehren Zielen streben?
Zwischen den besonders kühlen und besonders heißen Vampiren ist Platz für noch ein paar lauere Ausprägungen in dieser Popkultur-Ära, aber keine Variante hat mehr Kult-Potenzial als „True Blood“ und keine erreicht größere Massen als die Kino-Soap-Opera „Twilight“. Es ist, als spiegelten sich hier zwei Seiten der amerikanischen Mentalität: Alles mitnehmen, alles auskosten, feiern, bis es weh tut - und nach hehren Zielen streben.
Schon Stephenie Meyers vier Twilight-Romane waren internationale Bestseller. Die Geschichten – zwischen Buchdeckeln und auf der Leinwand - sind aufgebaut wie eine Boy-Band: Für jede Mädchen-Fantasie gibt’s eine Projektionsfläche. Und weil Vampir-Strubbel Robert Pattinson und Werwolf-Welpe Taylor Lautner bisher mit wenig neben ihren Twilight-Rollen Eindruck hinterlassen haben, funktioniert das Träume-Versilbern besonders gut. Dabei fährt Mormonin Meyer mit ihren pubertierenden Konsumentinnen Gefühlsachterbahn: Natürlich schwelt das Verlangen überall im Leben diese Highschool-Schüler – dem nachzugeben bedeutete allerdings Todesgefahr.
Nicht lecker, aber der Blutdurst treibt’s rein
Bella ist das alles egal. Damit sie nicht sichtbarer altert als ihr anämischer Freund Edward, will sie sowieso sterben (geht’s noch?) und ist nur hin und wieder hin- und hergerissen, weil ihr heißblütiger Freund Jacob ja auch ganz nett ist. Dass der dunkle Indianer-Junge als Werwolf seine animalische Seite kaum im Zaum halten kann, während der weiße Edward mit der weichen Stimme mehr als genug Zurückhaltung für zwei an den Tag legt, scheint in diesem Political-Correctness-Universum niemanden zu stören. Allerdings kann Meyer ganz offensichtlich auch keine Figuren jenseits der Stereotypen zeichnen.
Selbst die simpelsten Charaktere in „True Blood“ haben mehr Facetten. Und die Prämisse, auf der die Geschichte entwickelt wird, ist auch viel lustiger: Japaner haben für die Medizin synthetisches Blut entwickelt. Netter Nebeneffekt: Vampire können sich davon ernähren, die Flaschen werden einfach auf 37 Grad erhitzt. Nicht lecker, aber der Blutdurst treibt’s rein. Weil sie nicht mehr töten müssen, um ihr untotes Leben zu erhalten, treten sie an die Öffentlichkeit – und kämpfen für ihre Bürgerrechte und gegen Vorurteile.
Hat der eigentlich kein Hemd?
Auch hier stammt die Idee aus Büchern: Charlaine Harris hat sich die Geschichten um die Kellnerin Sookie Stackhouse ausgedacht, die gar keine Vorurteile gegenüber Vampiren hat und sich auch gleich in einen verliebt. Anna Paquin („Das Piano“) spielt die Sookie mit einer Zahnlücke, die ungefähr so aufregend ist wie die Reißzähne ihres Freundes Bill (Stephen Moyer). Der war ein rechtschaffener Mensch und ist als Vampir auch meistens Vegetarier, allerdings sind böse Menschen scharf auf sein Blut – denn der „V-Saft“ hat eine ähnliche Wirkung wie, sagen wir mal, V-iagra. Nur noch viel aufregender.
In „True Blood“ fliegen schmutzige Schimpfwörter und fiese Innereien durch die Gegend, wenn nicht gerade wild kopuliert wird – definitiv nicht jugendfrei. Und nebenher machen sich die Serien-Autoren über die amerikanische Gesellschaft lustig, von bigotten fundamentalistischen Kirchen bis zum Starkult: Angelina Jolie adoptiert ein Vampir-Baby. Auf jeden Fall haben die Figuren trotz aller Katastrophen mehr Spaß als die gequälten Twilight-Teenies: Bella (Kristen Stewart) und Edward schmusen auf der Wiese, da gibt’s Blümchen, aber keinen Sex vor der Ehe.
Bella druckst herum, weiß nicht, wo sie hingucken soll und kaut auf ihrer Unterlippe. Edward leidet meist still und tapfer vor sich hin – wenn er das Gesicht zum Lächeln verzieht, könnte man auch auf Zahnschmerzen tippen. Und möchte ihm gleich was zum Thema Make-up erzählen; die weiße Schminke ist ähnlich dick aufgetragen wie die Geschichten, was man bei den vielen schmacht-tauglichen Nahaufnahmen nicht vergessen kann. Jacob runzelt die Stirn, presst die Lippen aufeinander, der Kiefer arbeitet, und seit sich Lautner mächtig Muskelmasse antrainiert hat, läuft der Junge die meiste Zeit halbnackt durch die nebeligen Wälder Washingtons. Und schließlich, es soll einer der wenigen Momente bleiben, in denen „Bis(s) zum Abendrot“ mit Absicht komisch ist, spricht Edward die Frage aus, die man sich schon die ganze Zeit stellte:
Hat der eigentlich kein Hemd?
- Twilight – Biss zum Abendrot läuft ab Donnerstag, 15. Juli, im Kino, in vielen Städten gibt es Mittwochabend Vorpremieren
- Mehr Bilder aus dem Film gibt’s hier
- True Blood läuft in Deutschland auf dem Pay-TV-Kanal „13th Street“; Staffel eins der Deutsch synchronisierten Fassung gibt’s auf DVD, Staffel zwei erscheint im September