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Traditionell ging es in Vampirfilmen immer um Triebe und Sex. Bis Stephenie Meyer und ihre Twilight-Bücher kamen. Der moderne Blutsauger lebt keusch und edel. Westropolis-Autor Ingo Juknat fragt: Sind die Vampire am Ende die besseren Menschen?

Im Moment hält aber auch kein Sargdeckel. Selbst auf Arte laufen Vampire. Dort haben sie das Thema immerhin charmant aufgegriffen – mit einer Doku über Bela Lugosi, den legendären Dracula-Mimen. Ich frage mich trotzdem, was dieser Blutsauger-Trend eigentlich bedeutet. Gibt es ein aktuelles Thema, ein gesellschaftliches Phänomen, das Vampirfilme – verschlüsselt – aufgreifen?

Traditionell ging es ja immer um Triebe und Sex. Irgendwie. Bis Stephenie Meyer und ihre Twilight-Bücher kamen. Jetzt ist der Vampir eine quasi-christliche Keuschheitsfigur. Komisch, dass diese 180-Grad-Drehung des Motivs so erfolgreich ist. Im Grunde ist das so, als würde man Mr Hyde zum Kindergärtner umschreiben.

Robert Pattinson, Twilight-Vampir und Mädchen-Schwarm.
Robert Pattinson, Twilight-Vampir und Mädchen-Schwarm.

Sex ist es also nicht. Die Faszination für das Böse wohl auch nicht. Immerhin ist der Vampir des 21. Jahrhunderts – im Gegensatz zu Lugosis oder Christopher Lees Dracula – häufig gut. (Oder zumindest nicht 100 Prozent schlecht.)

Peter Nicholls hat mal eine interessante Untoten-Hierarchie aufgestellt. Da seien die Zombies, instinktgesteuerte, in Massen auftretende Wesen, die im traditionellen Roman für die Unterschicht stünden. (Wir reden hier natürlich von Stereotypen des 19. Jahrhunderts.) Werwölfe dagegen seien halb Mensch, halb Tier, bzw. halb Ratio, halb Trieb. Sie sind gewissermaßen Mittelklasse. Der Vampir dagegen ist aristokratisch, und das nicht nur, weil Dracula ein Graf ist.

Tatsächlich hat der Hauptvampir in den Twilight-Büchern und -Filmen etwas Abgehobenes, Zurückgezogenes, und edel-blass ist er auch noch. Er mischt sich ungern mit dem (Teenager-)Pöbel, verachtet Gewalt, hat keinen Sex und liest in seiner Freizeit vermutlich Wordsworth. Das ist natürlich ziemlich viktorianisch, womit man wieder bei Bram Stoker wäre. Nur, dass Stokers Dracula ein Triebtäter unter (scheinbar) Sittsamen ist, während Meyers Twilight-Vampir ein Zivilisierter unter modernen Wilden ist.

Sind die Vampire am Ende die besseren Menschen? Die Aristokraten des 21. Jahrhunderts? Brauchen wir sie als Erinnerung an verlorene Werte? Oder ist Twilight nur erfolgreich, weil alle Teenager-Mädchen Robert Pattinson süß finden?

Westropolis - Kultur für alle, Kritik von allen