Köln. Er hat unter anderem mit Rainer Werner Fassbinder und Martin Scorsese gedreht, wurde zwei Mal für den Oscar nominiert: Deutschlands berühmtester Hollywoodstar ist kein Schauspieler. Eine Begegnung mit Michael Ballhaus, "Director of Photography" - Rückblick auf ein Leben mit wunderbaren Bilder.

Michael Ballhaus ist der erste Kameramann, der in Deutschland so etwas wie Popularität erlangt hat. Und er sieht zu allem Überfluss mit seinen 74 Jahren auch noch blendend aus. Das breite Lächeln, unterstrichen von einem weißen Schnäuzer, gekleidet in einen beigefarbene Sommeranzug mit modisch breiten Hosenträgern: Wie er so dasitzt im kleinen „Kunstsalon” in der Kölner Südstadt und aus seinem Leben erzählt, meint man ein deutsches Pendant zu Sean Connery vor sich zu haben: Beides Männer, die im Alter erblühen.

Ballhaus hat seine aktive Zeit inzwischen hinter sich, hat fast 100 Filme fotografiert. 17 davon für Rainer Werner Fassbinder, sieben für Martin Scorsese. Er wurde zweimal für den Oscar nominiert, hat Preise ohne Ende eingesammelt. Trotzdem hat der gebürtige Franke seine Bescheidenheit nicht verloren. Was der Unterschied sei zwischen einem deutschen Kameramann und einem „Director of Photography” amerikanischer Prägung, wird er gefragt. Auch der, meint Ballhaus, könne trotz seines tollen Titels einem Regisseur nur helfen, einen guten Film zu machen.

Männer, die im Alter erblühen

Biographisches

"Lola Montez" war der Auslöser

Michael Ballhaus stammt aus dem Theatermilieu: Seine Mutter war Prinzipalin des „Fränkischen Theaters Schloss Maßbach". Da Max Ophüls ein Freund der Familie war, durfte Ballhaus 1955 die Dreharbeiten zu „Lola Montez" aus der Nähe miterleben. Hier fasste er den Entschluss, Kameramann zu werden.

Eine klassische Ausbildung hat er nie absolviert. Nach einer Fotografenlehre begann er 1960 als Kameraassistent beim Südwestfunk. 1966 war er dort Chefkameramann, weshalb Fassbinder in ihm auch stets den „Fernseh-Heini" sah. Seinen ersten Kinofilm drehte Ballhaus 1968: „Mehrmals täglich" mit Dieter Hallervorden.

Ihm ist das oft genug gelungen. Bei dem als chaotisch verschrienen Fassbinder hat das schon damit begonnen, dass Ballhaus „eine gewisse Professionalität” in dessen Arbeit gebracht habe. 1970, bei „Whity”, ist er in die berufliche Ehe mit dem manischen Vielfilmer eingestiegen, 1979, nach der „Ehe der Maria Braun” und keinem Wort des Lobes, hat er die Fassbinder-Crew wieder verlassen. RWF sei zu diesem Zeitpunkt bereits tief in Drogen versunken gewesen, erzählt Ballhaus, war kaum noch direkt ansprechbar. Die Aussicht auf ein weiteres Jahr der Zusammenarbeit an der Döblin-Verfilmung „Berlin Alexanderplatz”, „das machte mich nicht fröhlich”.

Dabei war die Zeit mit Fassbinder eine auch für Ballhaus äußerst fruchtbare Erfahrung. Immerhin gibt es seit „Marta” (1973) den berühmten Ballhaus-Kreisel, die 360-Grad-Fahrt mit der Kamera rund um Karlheinz Böhm und Margit Carstensen. Ihn gab es später noch oft, am eindrucksvollsten vielleicht in „Die fabelhaften Baker Boys”, wenn die Linse um die sich auf einem Flügel räkelnde Michelle Pfeiffer herumfährt und die Erotik der Szene damit ungemein steigert.

Der Ballhaus-Kreisel

Dass der Beruf des Kameramanns auch eine schwere physische Arbeit darstellt, davon macht sich kaum jemand eine Vorstellung. Da ist nicht nur das Schleppen der schweren Geräte, es ist auch die Arbeitszeit: „Der Kameramann ist der Erste und Letzte am Set”, erzählt Ballhaus. „Er ist beim Schminken dabei, ist Ansprechpartner bei allen technischen Problemen. Der Regisseur kann sich derweil im Camper ausruhen.” Trotzdem ist es für ihn der bessere Beruf: „Wenn ich an den Set komme, ist die Finanzierung endgültig geklärt, sind die Schauspieler ausgewählt und ist ein hoffentlich guter Regisseur vorhanden. Die Arbeit kann beginnen.”

Ballhaus denkt an die Künstler zurück, für die und mit denen er im Laufe der Jahre gearbeitet hat. An Scorsese natürlich zuerst, bei dem er seine Karriere mit „The Departed” beendete: „Ein Mann mit einem ausgeprägten Bewusstsein für Bilder, er denkt geradezu in Bildern. Eine wunderbare Zusammenarbeit.” Wenn auch vom Gewaltpotenzial der Filme her nicht leicht zu verkraften. „In ,GoodFellas' haben wir 23 Menschen umgebracht. Und dann wird auch noch darüber diskutiert, ob auch genügend Hirnmasse an die Wand gespritzt ist.” Er denkt an Robert Redford, der das genaue Gegenteil vom Bildermann Scorsese gewesen sei. Und an Francis Ford Coppola, mit dem er „Bram Stoker’s Dracula” drehte und dabei dessen manisch depressive Phasen erleben und erleiden musste.

Stars werden menschlich

Die Schauspieler sind ein anderes Kapitel. Bei einem wie Robert De Niro behielt Ballhaus selbst dann die Ruhe, wenn der wie immer die vom Kameramann gesetzten Markierungen missachtete. „Bei ihm musste man froh sein, wenn er überhaupt im Zimmer blieb”. Auch bei Jack Nicholson verlor er nicht die Geduld, der jeden Tag von Scorsese voller Hochachtung am Set von „The Departed” mit dem Satz empfangen wurde: „Was möchtest du heute machen, Jack?” Kein Wunder, wenn Jack da anfing, ein neues Drehbuch zu schreiben, mit dem man fertig werden musste. Aber all das sei noch besser gewesen als John Travolta, der keine drei Sätze Text behalten und nur von Schrifttafeln umstellt agieren könne.

Man möchte ihm stundenlang zuhören, wie er so erzählt und millionenschwere Stars dabei ganz menschlich erscheinen lässt. Seinen Entschluss, nach „The Departed” den Beruf aufzugeben, hat er trotz allem nicht bereut. „Es war eine klare Entscheidung”. Nun ist er, nach dem plötzlichen Tod seiner Frau 2006, ganz nach Deutschland zurückgekehrt und gibt seine Erfahrungen als Dozent an junge Menschen weiter. Er engagiert sich mit seinem „Ballhaus-Projekt” für den Klimaschutz und dreht mit Studenten Kurzfilme zum Thema.

Warum? Die Antwort ist kurz: „Ich habe vier Enkelinnen.”