Köln. Der einstige Fassbinder-Star Günther Kaufmann kann auf ein bewegtes Leben zurückschauen: Drei Jahre saß er unschuldig hinter Gittern, am Freitag zieht er ins Dschungel-Camp ein, vorab aber ist er Hauptakteur einer „SOKO”-Folge.
Ein Anruf aus Namibia alarmiert Kommissar Patrick Grimm (Tyron Ricketts): Sein Vater Antonio, der die DDR vor 30 Jahren Richtung Afrika verlassen hatte, liege im Sterben. Patrick reist hin, worauf er in kriminelle Machenschaften verstrickt wird, an denen sein Vater - der sich als quicklebendig entpuppt - beteiligt war. Zusätzlich kommen alte Vater-Sohn-Konflikte hoch. Günther Kaufmann spielt in diesem sehenswerten „SOKO-Leipzig”-Special „Verloren in Afrika” (Donnerstag, 21.15 Uhr, ZDF) Antonio, den Vater des SOKO-Kommissars. Kaufmann (61), einst Fassbinder-Star, hatte selbst ein bewegtes Leben. Er saß unter anderem drei Jahre im Gefängnis, weil er einen Mord gestand, den er nie begangen hatte. Ab morgen ist er außerdem Gast im RTL-„Dschungelcamp”. Mit ihm sprach Reinhard Meyer.
Filmaufnahmen im sonnigen Afrika - ein Dreh, von dem ein Schauspieler träumt?
Kaufmann: Na ja, ich habe eher von dieser Rolle geträumt als vom Dreh in Afrika. Ich habe in Namibia und auch in Südafrika schon vor etlichen Jahren gedreht, bin also schon weit rumgekommen. Das Entscheidende war hier eher die Vater-Sohn-Geschichte, diese psychologische Nummer - das A und O des Films. Wir hatten oft nasse Augen. Erinnerungen, wie es war als schwarzes Kind in Deutschland. Aufgewachsen als Besatzungskind in meinem Fall. Das alles war relevant. Afrika selbst war da nicht mehr so wichtig.
Sie haben die Geschichte nahe an sich rangelassen?
Kaufmann: Auf jeden Fall. Mein eigenes Leben hat ja damit zu tun. Solche Dinge werden plötzlich lebendig. Und durch sein Einfühlungsvermögen hat der Regisseur uns Dinge entlockt – da ging bei uns einiges ab, das kam tief von innen. Wenn Wasser in meine Augen tritt, heule ich nicht wie ein Hund und werde sentimental wie man es sonst sieht. Hier ist es echter. Wir waren zeitweise machtlos gegen das, was mit uns passierte, das ist einmalig für einen Film.
Aber es ist auch ein handfester Krimi...
Kaufmann: Die Krimigeschichte ist natürlich wichtig als Stütze. Aber es steht dann mehr im Fokus, welchen Kampf Vater und Sohn kämpfen. Sicher können auch viele Zuschauer die Problematik auf sich beziehen. Vater - Tochter, Mutter - Sohn, das gibt's überall, das hat dann mit Hautfarbe nichts mehr zu tun. Eine schwarze Geschichte? Das ist nicht mehr wichtig, das haben wir geschafft. Das liegt an der Tiefe der Charaktere.
Und wie aufregend war es, in Afrika zu drehen?
Kaufmann: Speziell in Namibia gibt es ja die uralt eingefleischten Rassisten. Es gibt deutsche Straßen, ein altes „Amtsgericht”, Schilder mit der Aufschrift „Arian Street”, also „arische Straße”. Ich habe keinen Rassismus erlebt, bei mir trauen die sich wohl nicht. Ich brülle selber wie ein Löwe, wenn es sein muss. Aber Tyron hat eine Sache erlebt: Eine ältere weiße Frau hatte in einer Bank eine Schwarze fürchterlich angebrüllt. Da hat Tyron sich eingemischt und ihr den Kopf gewaschen. Die Frau war fassungslos - für die war so ein Umgang mit Schwarzen völlig normal.
Denkt man an seine Vorfahren, an seine Wurzeln, wenn man nach Afrika kommt?
Kaufmann: Meine Mutter ist Münchnerin, mein Vater Amerikaner. Keine Ahnung, wo die Vorfahren herkommen. Aus Schweden wahrscheinlich nicht (lacht). Aber nach Afrika habe ich gar keine gedankliche Verbindung. Mein Gefühl ist ein Bayerisches, ein Münchnerisches. Und jetzt wohne ich in Bremen.
Sie sind als Schwarzer im konservativen Bayern aufgewachsen als der „weiße Neger vom Hasenbergl” - so heißt ihre Autobiografie. Wie hat sie das geprägt?
Kaufmann: Da gäbe es viel zu erzählen. Dass ich mit 11 in einem Schwimmbad war, und die Leute gingen raus, sagten, jetzt wird es dreckig. Das sind schon Dinge, die sich eingegraben haben. Erfahrungswerte, die ins Leben einfließen. Aber man darf sich nicht zurücklehnen und sagen, alle sind schlecht. Man muss an sich arbeiten, optimistisch sein, viel Humor haben. Heute bin ich der, der ich bin. Und ich habe ja noch viel mehr hinter mir...
Sie saßen drei Jahre unschuldig hinter Gittern wegen eines falschen Mordgeständnisses. Beschäftigt sie das noch heute?
Kaufmann: Das kann man natürlich nicht verdrängen. Wenn die Täter nicht gefasst worden wären, dann würde ich heute noch sitzen! Die Frau, die ich hatte, todkrank, krebskrank, war zugleich Anstifterin des Mordes. Ein Wort von ihr während der Verhandlung hätte genügt. Ich war 17 Jahre mit ihr zusammen, habe sie geliebt. Sie ist elendig gestorben am Krebs, mit 39. Ich mache ihr gar keinen Vorwurf. Das beschäftigt einen, natürlich. Aber: Heute habe ich eine liebe Frau gefunden, bin seit fünf Jahren glücklich verheiratet, drehe wieder Filme. Zum Beispiel bei Bully Herbig im „Wickie”-Film. Da bin ich der allerschrecklichste Sven, den Sie sich vorstellen können.
Zweifellos! Wie wichtig sind solche einschneidenden Erfahrungen für's Leben? Und was hilft einem?
Kaufmann: Die Erfahrungen, die ich gemacht habe, muss man nicht haben. Ganz sicher. Drei Jahre hinter Gittern... Aber ich war vier Jahre bei der Bundesmarine, freiwillig, mit 17. Ich war auf der Gorch Fock. Das ist eines der härtesten Kommandos, die es gibt, da werden sie richtig geschliffen. Man lernt Disziplin, Gehorsam und Unterordnung. Diese drei Dinge haben mir wahnsinnig geholfen im Knast.
Half auch die Religion?
Kaufmann: Ich bin religiös, ja. Die meisten werden's im Knast. Ich war's schon vorher. Mein Ziel war es, so schnell wie möglich raus zu kommen. Gott hat mich erhört.
Würde Sie eine regelmäßige Rolle im TV reizen?
Kaufmann: Nicht als Vater des SOKO-Kommissars. Aber ich würde gerne regelmäßig als Kommissar auftreten. In meiner eigenen Serie - als bayerischer Ermittler natürlich! Das habe ich schon vorgeschlagen. Vielleicht fällt denen langsam mal was ein...
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