Mit „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ wagt sich Caroline Link an die Kinoverfilmung des berühmten Jugendbuchs. Das Ergebnis lässt sich sehen.

Es liegt was in der Luft in diesem Frühling in Berlin. Arthur Kemper weiß, dass sich da nichts Gutes zusammenbraut. Der renommierte Theaterkritiker und Publizist jüdischer Herkunft hat deshalb heimlich die Abreise vorbereitet. Während er selbst zu einer Dienstreise nach Prag aufbricht, wartet seine Frau Dorothea auf das Zeichen zum Aufbruch und, als es soweit ist, muss alles sehr schnell gehen.

Auch die Kinder, der zwölfjährige Max und die neunjährige Anna sitzen auf gepackten Koffern; leider darf jedes Kind nur ein Spielzeug mitnehmen, weshalb Anna schweren Herzens ihr rosa Stoffkaninchen bei der Haushälterin zurücklässt. Am nächsten Morgen, dem ersten Tag nach der Wahl Hitlers zum Reichskanzler, geht es mit dem Zug Richtung Schweiz.

„Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ wurde aufwendig inszeniert

So endet die Berlin-Episode und damit das erste Drittel der für deutsche Verhältnisse aufwendigen Neuverfilmung von Judith Kerrs berühmtem Jugendbuch, die den Stoff (anders als zuvor Ilse­ Hofmanns TV-Produktion von 1978) nun fürs Kino aufzäumt. Die Vorteile liegen auf der Hand. Sobald es aus der Berliner Großraumwohnung hinaus in die Welt geht, darf ein echter Dampfzug durchs Bild rollen, füllen mehr oder minder stilecht verkleidete Statisten Bahnsteig und Straßen.

Dann, in der Schweiz, beginnt nicht nur ein neuer Abschnitt für die Familie, ein komplett neuer Film hebt an. In alpinem Dorfambiente knospt quasi naturgemäß Heidi-Heimeligkeit. Dem entgegen setzen Regisseurin Caroline Link und Co-Autorin Anna Brüggemann erfrischende feministische Zwischentöne, etwa wenn es um das gemeinsame Spielen von Mädchen und Jungs geht.

Eigentlich eins von Annas liebsten Stofftieren: Das rosa Kaninchen.
Eigentlich eins von Annas liebsten Stofftieren: Das rosa Kaninchen. © Getty Images/iStockphoto | Lemon_tm

Schwieriger Neuanfang

Da es auf dem Land für die intellektuellen Eltern (Oliver Masucci und die seltsam indisponierte Carla Juri) nichts zu verdienen gibt, lockt die Aussicht auf finanziellen Zugewinn zur Weiterreise nach Paris. Hier, in einer kleinen Dachgeschosswohnung, deren Zugang von einer missgünstigen Concierge bewacht wird, müssen auch die Kinder den Neuanfang wagen in einem Land, dessen Sprache sie nicht verstehen.

Aber auch in Paris wächst das Geld nicht auf den Bäumen und als es wieder einmal knapp zugeht und selbst zur Weihnacht nur die verhasste Kartoffelsuppe den Teller füllt, besorgt der Vater dem Sohn (Marinus Hohmann) vom letzten Geld eine Portion Schnecken für einen Feiertagsimbiss auf der Straße. Hier hält der Film inne für ein tief empfundenes Stimmungsbild.

Film prescht ungestüm voran

Öfter prescht er ungestüm voran, ganz dem Temperament der kleinen Anna folgend, für die Caroline Link mit Riva Krymalowski ein spielfreudiges (und talentiertes) Kind für die Hauptrolle fand. Auch deshalb ist dies ein Film, den man sich noch in zehn Jahren an einem Sonntagnachmittag zusammen mit der Familie gerne anschauen kann.

D/CH 2019, 119 Min., R: Caroline Link, D: Riva Krymalowski, Marinus Hohmann, Oliver Masucci, Carla Juri
FSK 0, Wertung: 4 / 5 Punkten