Essen. . In dem Thriller “Kind 44“ spielt Tom Hardy einen Geheimdienstoffizier, der Anfang der 1950er-Jahre in Moskau eine mysteriöse Mordserie aufklären will.

Der Verleih möchte „Kind 44“, die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Tom Rob Smith, am liebsten als historischen Thriller verkaufen. Doch Regisseur Daniel Espinosa („Safe House“) und sein Drehbuchautor, der renommierte Krimiautor Richard Price, versuchen hier sehr viel mehr.

Da ist die Biografie des Waisenjungen Leo Demidow aus der Ukraine, den man später als Kriegsheld feiert und der 1953 zum linientreuen Geheimdienstoffizier der sowjetischen Staatssicherheitsbehörde MGB aufsteigt. Und da ist die bedrohliche Atmosphäre in Stalins Russland, wo man immer noch am besten überlebt, indem man seine Nächsten denunziert. Die Vorkommnisse um einen unheimlichen Serienmörder, der bereits Dutzende von Kindern entlang der Bahngleise umgebracht hat, werden dabei erst nach und nach in die Handlung eingeführt, machen dann aber aus Leo einen besessenen Jäger, der für sein Ziel auch bereit ist, die eigene Karriere aufs Spiel zu setzen.

Ein finsterer Typ mit Stiernacken

Die Tatsache, zunächst einmal mit einer relativ umfangreichen Vorgeschichte konfrontiert zu werden, dient vor allem der Charakterisierung Leos, der zunächst mit seinen Methoden nicht gerade zimperlich ist. Tom Hardy scheint dafür die ideale Besetzung, ein finsterer Typ mit Stiernacken, schwer einzuschätzen, aber in der Tiefe seines Herzens offenbar noch immer einer gewissen Form von Gerechtigkeit verpflichtet. Was sehr schwer sein muss in einem Umfeld aus Spitzelei, falschen Anschuldigungen und intriganten Kollegen.

Und das alles in einem Moskauer Umfeld, das in den von Schmutz und Schäbigkeit geprägten Bildern des Kameramanns Oliver Wood nicht gerade als ein Hort der Freude rüberkommt. Leo merkt schon bald, dass hier auf Familienbande keine Rücksicht genommen wird, als er von seinem Vorgesetzten (Vincent Cassel) beauftragt wird, ausgerechnet gegen seine eigene Ehefrau (Noomi Rapace) zu ermitteln.

Hier steht ein Mann zwischen allen Stühlen, denn gleichzeitig mit diesem Auftrag erfährt er vom Tod des Sohnes seines Kollegen und Freundes Alexei (Fares Fares). Das Kind, an einem Bahngleis entdeckt, soll angeblich einem Unfall erlegen sein, was Leo nach Besichtigung der Leiche denn doch schwer anzweifelt. Er weiß eigentlich, dass er mit dieser Ansicht gegen Mauern läuft, weil in Stalins Arbeiterparadies ein Mord einfach nicht möglich sein kann. Und wenn doch, dann höchstens als Folge schädlicher westlicher Einflüsse.

Mehr Drama als Krimi

Mehrfach verprügelt und gefoltert, ein Schmerzensmann durch und durch, kann Leo schließlich noch von Glück sagen, dass er gemeinsam mit der geliebten Gattin nur ins berufliche Exil geschickt wird – in die schäbige Arbeiterstadt Volsk.

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Hier herrscht zwar nicht das furchtbare Klima aus Verunsicherung und Einschüchterung, dafür taucht auch hier schon bald eine erste Kinderleiche auf. Es scheint immer mehr so, dass es sich bei dem Täter um einen Pendler handeln könnte, der entlang der Schienenstrecke nach Leos Zählung bisher 44 Kinder getötet hat.

Es ist das Manko des Films, dass man zwar sehr viel Zeit für sehr viel Handlung verbraucht, dass die Figur des Serienmörders jedoch erst zum Schluss Beachtung findet. Ganz anders als in der Buchvorlage übrigens, wo der Täter ein anderer und auch ständig präsent war. Die wenigen Minuten, die dem Briten Paddy Considine in dieser Nebenrolle bleiben, reichen nicht, um eine schlüssige Motivation für die furchtbaren Taten aufzublättern. Davon mal abgesehen, sollte man die Ridley-Scott-Produktion weniger als landläufigen Krimi betrachten, sondern eher als Drama eines Mannes, dem nichts egal ist und der deshalb in Stalins Staat viel auszuhalten hat.

Wertung: Vier von fünf Sternen