Essen. In vielen Städten wird gegen die AfD demonstriert. Die Regeln für Proteste sind im Versammlungsrecht festgehalten. Diese Gesetze gelten in NRW.
- Was ist bei Demos und Protesten in NRW eigentlich erlaubt?
- Was darf die Polizei bei einer Demo oder Versammlung? Welche Rechte hat der Veranstalter? Wie steht es um die deutsche Versammlungsfreiheit?
- Alle wichtigen Infos zum Versammlungsgesetz in NRW haben wir in unserer Übersicht zusammengefasst.
Die Einzelheiten der Versammlungsfreiheit in Nordrhein-Westfalen regelt das Versammlungsgesetz NRW, kurz VersG NRW. Zuletzt wurde es im Dezember 2021 überarbeitet, die Änderungen traten im Januar 2022 in Kraft. Hier finden Sie alle Informationen zum Versammlungsrecht in NRW, kompakt und verständlich zusammengefasst.
Was ist laut Gesetz eine Versammlung?
Eine Versammlung ist die Zusammenkunft von mindestens drei Menschen, die gemeinsam an der öffentlichen Meinungsbildung teilnehmen. Sie ist öffentlich, wenn der Teilnehmerkreis nicht auf bestimmte Personen beschränkt ist oder die örtliche Öffentlichkeit ganz einfach anspricht.
Was muss ich beachten, wenn ich eine Versammlung plane?
Der Veranstalter sollte die Behörden über Art, Umfang und Ablauf informieren. Findet die Versammlung unter freiem Himmel statt, besteht 48 Stunden vor der Zusammenkunft Anzeigeplicht mit folgenden Angaben: Namen, Telefonnummer und Anschrift der meldenden Person und des Veranstalters sowie erwartete Teilnehmerzahl, Ort, Zeit und Thema – bei Aufzügen auch der beabsichtigte Streckenverlauf. Sollte der Veranstalter die Hilfe von Ordnern in Anspruch nehmen, so müssen deren Zahl und Namen ebenfalls angegeben werden.
Die Anzeigefrist der Versammlung kann bei folgenden Ausnahmen entfallen: Eine Eilversammlung ist spätestens mit ihrer Bekanntgabe bei der Behörde zu melden. Sie setzt voraus, dass der Beweggrund zur Versammlung durch die Frist in Gefahr wäre. In diesem Fall darf die Mitteilung bei der Kreispolizei telefonisch sein. Eine Spontanversammlung bedarf keiner Anzeige, da sie sich durch einen aktuellen Anlass ungeplant bildet.
Wenn die Beamten es für nötig halten, bietet die Polizei dem Veranstalter ein Kooperationsgespräch an, um Probleme bei der Durchführung zu vermeiden.
Inwiefern müssen die zuständige Behörde und der Veranstalter einer Versammlung zusammenarbeiten?
Die zuständige Behörde, von der der Gesetzestext spricht, ist die Kreispolizeibehörde. Sie hat die Aufgabe, die Versammlung und deren Teilnehmer zu schützen. Deshalb muss eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel mindestens 48 Stunden zuvor gemeldet werden: Das erfolgt entweder schriftlich, elektronisch oder sogar mündlich, wenn ein Beamter das Gespräch protokolliert. Im besten Fall stehen die Polizei und der Veranstalter im Austausch miteinander, falls es zu erheblichen Änderungen kommt.
Inwiefern darf die Polizei eine Versammlung einschränken?
Die Polizei darf sowohl den Veranstalter als auch seine Ordner ablehnen, wenn ihr Einsatz die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet.Versammlungen unter freiem Himmel darf die Polizei hinsichtlich des Ortes und Verlaufs beschränken, wenn sie eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit sieht. Besteht diese auch bei der Durchführung der Versammlung, dürfen die Beamten sie verbieten beziehungsweise auflösen.
Versammlungen in geschlossenen Räumen darf die Polizei beschränken, verbieten oder auflösen, wenn es deutliche Hinweise auf einen „unfriedlichen Verlauf“ oder Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen gibt. Sollte es tatsächliche Anhaltspunkte geben für diese Bedrohung geben, dürfen Polizeivollzugsbeamte in der Versammlung anwesend sein, müssen sich aber dem Veranstalter zu erkennen geben. Ein Verbot oder eine Auflösung kommen nur dann in Betracht, wenn Beschränkungen nicht ausreichen.
Sollten Dritte einen friedlichen Verlauf oder Leib und Leben der Versammlungsteilnehmer gefährden, sind laut Gesetz Maßnahmen der Gefahrenabwehr nötig und gegebenenfalls landes- sowie bundesweit verfügbare Polizeikräfte heranzuziehen. Sollten diese Maßnahmen dennoch nicht ausreichen, so dürfen die Beamten die Versammlung auflösen, verbieten oder beschränken – sogar, wenn von den Versammelten selbst keine Gefahr ausgeht.
Für das Verbot oder die Auflösung muss eine Gefahr für Leib und Leben oder für Sachgüter von erheblichem Wert bestehen. Sofern eine Auflösung oder Beschränkung erst während der Versammlung bekannt wird, muss der Grund dafür angegeben werden. Sollte eine Person die öffentliche Sicherheit gefährden, können die Behörden ihr die Anwesenheit in einer Versammlung unter freiem Himmel versagen. Damit einhergehend hat sich die betroffene Person auf einem Polizeirevier zu melden und auszuweisen.
Ähnliches gilt für Personen, die während der Versammlung die öffentliche Sicherheit gefährden oder gegen das Vermummungs- oder Gewalt- und Einschüchterungsverbot verstoßen. Die Behörden dürfen sie ausschließen, sodass sie das Gelände sofort verlassen müssen.
Was ist die öffentliche Sicherheit konkret?
Dieser abstrakte Begriff hat mehrere Teilaspekte. Wer die öffentliche Sicherheit schützt, für den ist der Schutz folgender Elemente inbegriffen:
- Die geschriebene Rechtsordnung: Das sind alle Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften der Bundesrepublik.
- Die Rechtsgüter der Bürger: Das sind Rechte, Sachen und Interessen, die durch Gesetze geschützt sind.
- Die Institutionen des Staates.
- Der Staat selbst.
Übrigens: Im Gegensatz zur öffentlichen Sicherheit umfasst die öffentliche Ordnung die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln und bezieht sich auf das sittliche Empfinden. Weil die wichtigsten Rechtsgüter aber durch das Gesetz geregelt sind und diese unausgesprochenen sozialen Richtlinien selten Polizeieingriffe brauchen, ist der Begriff für viele Juristen irrelevant. Die öffentliche Ordnung ist kein Grund, eine Versammlung einzuschränken.
Wann sind Kontrollstellen zulässig?
Es sind tatsächliche Anhaltpunkte nötig, dass Teilnehmer Waffen oder andere gefährliche Gegenstände mit sich führen. Dann dürfen die Beamten Kontrollstellen an den Anfahrts- und Fußwegen errichten, die zur Versammlung unter freiem Himmel führen, und dort Personen und Sachen durchsuchen.
Im Rahmen der Personenkontrollen dürfen Identitätsfeststellungen und andere Maßnahmen zur Strafverfolgung nur erfolgen, wenn sich tatsächliche Anhaltspunkte ergeben, dass ein Verstoß gegen das Vermummungs-, Gewalt- und Einschüchterungs- oder Waffenverbot vorliegt.
Wie verhalte ich mich, wenn eine Demo aufgelöst wird?
Nach der Auflösung müssen die Teilnehmer das Gelände unverzüglich verlassen. Eine Ersatzveranstaltung anstelle der aufgelösten Versammlung ist verboten.
Darf ich als Veranstalter jemanden aus meiner Versammlung ausschließen?
Sollte eine Person die Ordnung der Versammlung erheblich stören, darf der Veranstalter sie ausschließen. Bei Zusammenkünften unter freiem Himmel gilt eine Sonderregelung: Die Polizei muss den Ausschluss abnicken. Die vorsätzliche Störung eines Protestes ist zudem gesetzeswidrig – darunter fallen aber keine Gegenproteste.
Wer eine öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen veranstaltet, darf bestimmte Personen oder Personenkreise ausschließen. Nur wenn ausschließlich bestimmte Gäste geladen sind, darf Medienvertretern der Zutritt verwehrt werden.
Was hat es mit dem Vermummungsverbot auf sich?
Laut Innenministerium soll das Vermummungsverbot verhindern, dass Straftäter ihre Identität verschleiern, um der Strafverfolgung zu entgehen. Davon ausgeschlossen seien Accessoires wie Sonnenbrillen, Masken und Hüte.
Was bedeutet das Uniformverbot in der Praxis?
Inzwischen heißt das Uniformverbot „Gewalt- und Einschüchterungsverbot“, da die Bezeichnung von 1953 verfassungswidrig ist. Dem Innenministerium Nordrhein-Westfalens zufolge gehe es nicht primär um die Uniform, sondern ihren Zweck: Diene sie der Einschüchterung und symbolisiere Gewaltbereitschaft, so falle die Einheitlichkeit der Kleidung unter dieses Gesetz. Nicht betroffen von dieser Regelung seien zum Beispiel Fußballtrikots.
Auf welchen öffentlichen Plätzen darf ich in NRW nicht demonstrieren?
Um den Landtag herum liegt ein „befriedeter Bannkreis“, in dem öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel nicht gestattet sind. Nur der Präsident des Landtags, André Kuper, zusammen mit dem Minister für Inneres, Herbert Reul, können Ausnahmen erwirken.
Versammlungsfreiheit in Deutschland: Das sagt Amnesty International
Die Menschenrechtsorganisation kritisiert die ihrer Meinung nach übermäßige Polizeigewalt bei Demonstrationen, mit der die Behörden in einigen Fällen vorgegangen seien. Als Beispiel nennt sie Schmerzgriffe, um Straßenblockaden von Klimaaktivisten aufzulösen. Vor allem bei friedlichen Protesten seien die Eingriffe unverhältnismäßig. Auch das Vorgehen gegen Demonstranten und Medienvertreter in Lützerath, das für die Erweiterung des Braunkohletagebaus umgesiedelt wurde, steht in der Kritik.
Außerhalb NRWs prangert Amnesty die Polizeigewalt beim Hamburger G20-Gipfel 2017 und die Einkesselung von 1000 Menschen in Leipzig im Juni 2023 an. Bis zu elf Stunden hätten die Teilnehmer einer Demonstration gegen ein Gerichtsurteil ohne Zugang zu sanitären Anlagen ausharren müssen.
Die Neuerungen des Versammlungsgesetzes NRW sieht Amnesty ebenfalls kritisch. Weshalb die Gesetzesänderung umstritten ist, lesen Sie hier.
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