Karlsruhe/Mainz. Wie viel Staat darf's sein beim ZDF? Länderchefs wie Horst Seehofer (CSU) und Olaf Scholz (SPD) sitzen in den Gremien, Parteivertreter aus der zweiten Reihe finden sich dutzendweise - das Bundesverfassungsgericht wird am Dienstag entscheiden, wieviel Einflussnahme der Sender verkraften muss.

Wenn's um das ZDF geht, redet die Politik mit: Amtierende Länderchefs wie Horst Seehofer (CSU) und Olaf Scholz (SPD) sitzen in den Gremien, Parteivertreter aus der zweiten Reihe finden sich dutzendweise, dazu kommen die einen oder anderen Granden im Regierungs-Ruhestand, zum Beispiel Kurt Beck (SPD) oder Rainer Brüderle (FDP). Sie alle verstehen sicher viel vom Fernsehen - doch wie groß darf der staatliche Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Sender sein? Darüber entscheidet am kommenden Dienstag (25. März) das Bundesverfassungsgericht.

Rheinland-Pfalz und Hamburg haben in Karlsruhe geklagt. Sie fordern mehr Staatsferne. Den Auslöser für das Verfahren gab der Streit um die Wahl des neuen ZDF-Chefredakteurs vor rund viereinhalb Jahren. Gegen den Willen des damaligen ZDF-Intendanten Markus Schächter verhinderte eine unionsnahe Mehrheit im Verwaltungsrat des Senders, dass der Vertrag von Nikolaus Brender verlängert wurde - er musste gehen. Hessens damaliger Ministerpräsident Roland Koch (CDU) begründete dies unter anderem mit sinkenden Quoten des Bereichs Information unter Brender. Peter Frey wurde neuer Chefredakteur.

Die 16 Länder schicken je einen Vertreter

Das ZDF hat zwei Aufsichtsgremien, geregelt im ZDF-Staatsvertrag: Der Fernsehrat mit seinen 77 Mitgliedern überwacht das Programm, genehmigt den Haushalt des Senders und wählt den Intendanten. Die 16 Länder schicken je einen Vertreter, der Bund schickt drei, die politischen Parteien zwölf Leute in den Rat. Dazu kommen Vertreter gesellschaftlicher Gruppen - von den Kirchen über Gewerkschaften und Arbeitgeber bis hin zu Sportlern und Tierschützern.

Dazu gibt es den Verwaltungsrat, den Kurt Beck leitet. Die 14 Mitglieder schauen dem Intendanten auf die Finger. Die Länder sind mit fünf aktiven oder früheren Regierungschefs vertreten, der Bund hat einen Vertreter, dazu kommen acht gewählte Mitglieder, die keine aktiven Politiker sein sollen.

Rundfunk darf nicht für staatliche Zwecke instrumentalisiert werden

Der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck hatte die Klage in Karlsruhe vor dreieinhalb Jahren eingereicht, nachdem sich die Länder nicht auf eine Reform des Staatsvertrags einigen konnte. "So wie er jetzt ist, ist der Staatsvertrag nicht verfassungsgemäß", sagte Beck damals. Er will aber auch nicht, dass gar keine Politiker vertreten sind.

Nach dem Grundgesetz soll der Staat keinen bestimmenden Einfluss auf das Programm haben. Die Meinungsbildung in der Gesellschaft soll von unten nach oben verlaufen, nicht umgekehrt. Der Rundfunk darf nicht für staatliche Zwecke instrumentalisiert werden. Was genau unter der "Staatsfreiheit" nach dem Grundgesetz zu verstehen ist, werden die Richter des Ersten Senats vermutlich in ihrem Urteil präzisieren. Es könnte eine Grundsatzentscheidung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk werden. In der mündlichen Verhandlung schienen die Richter vor allem skeptisch, was den Einfluss politischer "Freundeskreise" angeht, in denen wichtige Entscheidungen vorab besprochen werden.

Auch bei der ARD gibt es Diskussionen um Staatsferne

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hofft darauf, dass das Bundesverfassungsgericht mehr Klarheit schafft. "Rheinland-Pfalz erwartet, dass Karlsruhe auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2013 den Ländern entsprechende Hinweise geben wird", betont Dreyer laut Mitteilung der Staatskanzlei. Das Ziel sei eine Struktur, die eine angemessene Staatsferne gewährleiste. Ihr sei aber bewusst, dass das Gericht keine konkreten Regelungen vorgeben werde - das sei dann Aufgabe der Länder.

Die Aufsichtsgremien der ARD sind anders zugeschnitten als die des ZDF. Auch dort gab es aber Diskussionen über Staatsferne. So sind zum Beispiel im Rundfunkrat des Südwestrundfunks (SWR) seit diesem Jahr erstmals Muslime sowie Sinti und Roma vertreten - die Landesregierungen entsenden keine Mitglieder mehr.

Im ZDF wird die Entscheidung in Karlsruhe mit großer Spannung verfolgt. Intendant Thomas Bellut rechnete in der Verhandlung im November 2013 mit einem Signal für mehr Unabhängigkeit, betonte aber zugleich: "Ich kann aus meiner bisherigen Amtszeit sagen, dass die Unabhängigkeit der Programmverantwortung gewahrt ist." (dpa)