Essen. Der Chef-Zyniker des deutschen Fernsehens verabschiedet sich. Am Donnerstag wurde bei Sky letztmalig die Late-Night-Show von Harald Schmidt ausgestrahlt. In der Sendung wurden die Gründe für seine Absetzung ersichtlich.
Irgendwie war die letzte Show des einzigen Late-Night-Champions, den die Bundesrepublik je hervorgebracht hat, bezeichnend. Sie spiegelte sehr gut wider, warum Harald Schmidt zweifelsohne der Einzige ist, der in Deutschland das Metier Late Night beherrscht. Ebenso gut offenbarte die finale Show aber auch, warum jetzt, nach sage und schreibe 19 Jahren, doch wohl endgültig Schluss sein wird für Schmidts „Spätnachtgewerbe“.
Im Verlauf der 37-minütigen Sendung, die der Abo-Sender Sky dem geneigten Zuschauer als Abschluss-Schmankerl auf Youtube frei zugänglich präsentierte, trat offen zutage, wie stark das Pendel des Harald Schmidt zwischen genialer Bissigkeit und demonstrativer Lustlosigkeit hin und her schwingt, oder besser: schwang – so wie in seiner gesamten Late-Night-Karriere.
Eingangs noch, nach einem gefühlt minutenlangen Begrüßungsapplaus, zeigt sich Schmidt in absoluter Topform. Wach, schlagfertig, schnell! So unterhaltsam wie sonst kein Zweiter im deutschen Fernsehen. Nachdem er den Beifall seines Studiopublikums mit gespielt stoischer Miene zur Kenntnis genommen hat, kanzelt er dieses gleich gewohnt respektlos mit der Bemerkung ab: „Dieser Beifall ist das Ergebnis, wenn das Publikum überwiegend aus Landbevölkerung besteht.“ Und geht dann direkt über zum Tagesgeschehen: „Hoeneß und ich haben eine Gemeinsamkeit. Wir beide haben Millionen verzockt. Er Euro, ich Zuschauer.“ Aber: „Ich habe gegen Hoeneß einen Vorteil: Ich werde heute entlassen.“
[kein Linktext vorhanden]Schnell eine treue Fan-Base erarbeitet
Sarkasmus, Schärfe, Selbstironie: Das waren die drei Eckpfeiler, mit denen Schmidt in den 90ern bis weit hinein in die 2000er Jahre bei den Zuschauern reüssierte. Mit diesen Alleinstellungsmerkmalen hatte er sich – trotz oft durchwachsener Feuilleton-Kritiken – schnell eine treue Fan-Base erarbeitet. Und das als Pionier. Immerhin war er der Erste, der Late-Night – im amerikanischen Sinne eines David Letterman – in die Bundesrepublik importierte. Schmidt, der der ARD Anfang der 90er Jahre mit „Verstehen Sie Spaß“ noch ein kolossales Quotendesaster beschert hatte, sich aber mit „Schmidteinander“ auch Meriten als kongenialer Entertainer erwitzelte, fand in der Late-Night seine Rolle.
Klar, Harald Schmidt war auch um 23:15 Uhr bei Sat 1 kein Garant für sensationelle Quoten. Zum einen ist das sicher dem Format Late Night geschuldet, das eben nicht die Massenkompatibilität besitzt, stets ein Millionenpublikum vor der Flimmerkiste zu versammeln. Zum anderen muss aber auch Schmidt sich den Schuh anziehen, am Niedergang seines Formats gehörigen Anteil zu haben. Zu launenhaft, zu lustlos, zu wenig bissig kam er manchmal rüber, insbesondere in der Zeit um 2007, in der er mit Oliver Pocher als Sidekick ein schwer verunglücktes Experiment in der ARD wagte. Aber auch in den Folgejahren im Öffentlich Rechtlichen und seinem zweiten Kurzgastspiel von 2011 bis 2012 bei Sat 1 hinkte Schmidt oftmals seiner Form der 90er Jahre hinterher.
Humoriges Parlieren bei Wein und Würstchen
Auch seine Abschluss-Show bei Sky war von einigen Durchhängern geprägt. Als Schmidt sich mit seinen sechs Sidekicks bei Sky, unter anderem Klaas Heufer-Umlauf, Jürgen Vogel und Olli Dittrich, zum Galadinner um einen runden Tisch herum platzierte, um bei Wein und Würstchen humorig zu parlieren, wollte der Funke zumindest anfangs nicht so recht überspringen. Die Runde plätscherte einigermaßen arm an Höhepunkten vor sich hin. Es wurde auf Markus Lanz angestoßen, wild durcheinander geredet und zeitweilig ziemlich krampfhaft versucht, gute Laune zu verbreiten.
Das Privatfernsehen wird 30 Jahre alt
Dennoch blitzte zwischendurch immer wieder die Klasse und das Können Schmidts auf und es entwickelte sich schließlich doch noch ein amüsanter Schlagabtausch. Zum Beispiel als Schmidt – wie immer politisch unkorrekt – seine Mitstreiter davor warnte, eine eigene Produktionsfirma zu gründen, weil man „nach einer Weile nur noch mit Schwulen und Gestrandeten“ zu tun zu habe. Oder der Moment, als sich Jürgen Vogel eine Bockwurst in den Rachen schiebt und Schmidt das mit den Worten kommentiert, er wirke wieder wie so eine Erpresserfigur im Film. „Und zwei Minuten später knallst du Iris Berben in der Teeküche.“
Noch nicht einmal unter "trending topics" bei Twitter
Und auch auf das Internet hatte Schmidt noch eine Breitseite parat. „Du machst im TV einen Gag und im Netz wird die Pointe nachher erklärt“, gab Schmidt zum Besten. Das Netz hingegen nahm diese Stichelei offenkundig nicht mehr so richtig zur Kenntnis. Am Donnerstagabend war die finale Harald Schmidt Show nicht einmal unter den trending topics bei Twitter zu finden. Zu guter Letzt performte dann noch Judith Holofernes, die Ex-Frontfrau von Wir sind Helden, ihren neuen Song Nichtsnutz. „Das ist das einzige Ständchen, was man dir heute wirklich bringen kann“, sagte Holofernes in Richtung Schmidt. Das allerdings erscheint dann wohl doch ein bisschen hart als Schlusswort.
Ein Nichtsnutz war Schmidt in seiner TV-Karriere nämlich keineswegs, ganz im Gegenteil! Und das weiß er nur allzu gut. Ob er jedoch noch immer die Chuzpe und das kreative Potenzial hat, sich abseits des Fernsehens noch einmal neu zu erfinden, das wird die Zukunft zeigen.