Essen. Gerd is back - etwas älter, aber immer noch ohne graue Haare. Altkanzler Gerhard Schröder, lange aus der Öffentlichkeit abgetaucht, meldet sich kurz vor seinem siebzigsten Geburtstag mit einem Buch zurück. Bei „Beckmann“ in der ARD zeigte der einstige Polit-Macho, dass er es immer noch drauf hat.

Da sitzt Schröder, ein bisschen faltiger ist sein Gesicht geworden, ein paar Pfund hat er zugelegt, aber nicht so doll. Und immer noch kein graues Haar auf dem Kopf. Nun ja. Gerade ist er von einem Besuch bei den Olympischen Spielen in Sotschi zurück, hat mit seinem Männerfreund Wladimir Putin geplaudert, den „lupenreinen Demokraten“ aus Moskau, von dem er immer noch glaubt, dass er auf gutem Wege zur Demokratie sei, auch wenn nicht alles in Ordnung ist im russischen Riesenreich. Der Westen müsse Putin „Zeit geben“ für die richtige Entwicklung. Ob er denn heute wenigstens die Kritik an seinem schnellen Wechsel nach dem Aus als Kanzler zum deutsch-russischen Pipelineprojekt Nordstream verstehen könne, will Beckmann wissen. Schröder: „Verstehen kann ich vieles.“ Ende der Durchsage.

Um einen flotten Spruch war Gerhard Schröder schließlich nie verlegen. „Klare Worte“ heißt denn auch sein Buch, das in diesen Tagen erscheint. Der mediale Geleitschutz für den Interview-Band läuft seit Tagen. „Bild“ druckt Auszüge, am heutigen Freitag stellte Schröder sein Werk pressewirksam in Berlin vor. Doch der „Stern“ hält dagegen und widmet dem bis dato letzten sozialdemokratischen deutschen Kanzler aktuell eine bitterböse Titelgeschichte, schildert darin „sein trauriges Leben nach der Macht“: Schröder als einsamer Spaziergänger im tristen Hannover. Treffer?

Er sei ja „einiges gewöhnt“ poltert Schröder gleich. Aber dieser „Stern“-Titel sei ja wohl „die absurdeste Geschichte, die ich je gehört habe“. Von wegen traurig! Er erlebe daheim mit Frau und Kindern gerade „ein großes Glück“, er genieße es, „die Kinder aufwachsen zu sehen“. Und er kümmert sich um den Hund. Schröder als Familienmensch. Früher war das für den Kanzler alles „Gedöns“. Heute muss er, der Parteifreunde auch mal gern barsch abmeierte, wenn sie nicht spurten, einsehen: „Auf ,Basta!’ reagieren Kinder gar nicht.“

Beckmann klopft Schröder verbal auf die Finger

Reinhold Beckmann ist aber kein Kind und deshalb muss Schröder seinen Gastgeber immer mal wieder unterbrechen und verbal auf die Finger klopfen: „Nu lassen se mich mal...“ Schröder ist Chef im Ring. Und er möchte lieber über alte Zeiten plaudern und Anekdoten erzählen, als dauernd diesen Putin verteidigen zu müssen. Stattdessen schwärmt er lieber von den USA: „San Francisco mag ich sehr, New York ist mir zu wuchtig.“ Und dass ihn die Amerikaner in seiner Zeit als Bundeskanzler abgehört haben sollen? Kann gar nicht sein. Denn: „Ich hatte zu keinem Zeitpunkt als Kanzler ein Handy, auch heute hab ich keins.“ Wenn es mal dringlich wird, leihe er sich das Mobiltelefon bei seiner Frau oder beim Leibwächter, der ihn immer noch begleitet. Wie praktisch.

Beckmann hat sich offenbar vorgenomen, so viele Themen wie möglich abzuhandeln. Hastig arbeitet er ein Stichwort nach dem anderen ab, springt vom Irak nach Europa, von der SPD zur Linkspartei, von Clinton zu Chirac und landet so schließlich bei Angela Merkel. Ob Schröder nach seiner Wahlniederlage 2005 geahnt habe, dass diese Frau länger im Amt bleiben werde als er selbst? „Gewollt hab ichs jedenfalls nicht“, grinst Schröder.

Schröder taugt nicht zur grauen Eminenz

Was wird bleiben von dem Mann, der sieben Jahren als Kanzler der ersten rot-grünen Bundesregierung agierte? Eine moralische Instanz wie sein Vor-Vorgänger Helmut Schmidt wird Schröder wohl nicht werden – zur grauen Eminenz taugt er nicht. "Ist auch nicht mein Ehrgeiz", sagt er selbst. Schröder will aber sicher nicht als trauriger Spaziergänger in Niedersachsen enden und ist inzwischen dabei, sein Bild für die Geschichtsbücher zu schaffen. Da ist die Agenda 2010, in der tatsächlich viele Experten den Grundstein für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands in den letzten Jahren sehen. Sein Stolz auf dieses Projekt ist ihm deutlich anzumerken. Und da ist sein „Nein“ zum Irakkrieg der Amerikaner nach den Terroranschläge vom 11. September 2001, mit der Deutschland vor einem fatalen Militäreinsatz bewahrte.

Aber dann ist da ja noch jener legendäre testosterongeladene Auftritt Schröders am Wahlabend 2005, als er trotz der offensichtlichen Niederlage auf seinen Anspruch als künftiger Bundeskanzler pochte, „Suboptimal“ nannte Gattin Doris Schröder-Köpf diesen Macho-Auftritt ihres Mannes später. Schröder erinnert sich heute noch mit merklichem Spaß an den Abend. Ein paar Mal habe er die Szenen später noch bei Terminen vorgespielt bekommen. Und wie fand er sich? „Das war schon beeindruckend.“