Essen. Schlager ist jetzt hip. So lautete die These beim „Großen Fest der Besten“ in der ARD. Drei Stunden lang versuchten Florian Silbereisen, Helene Fischer, Heino, Voxxclub und andere die Szene vom Schunkelimage zu befreien. Das Ergebnis hatte mit Schlager tatsächlich kaum noch was zu tun.
Imagewandel ist harte Arbeit. Das lernt man beim „Großen Fest der Besten“ in der ARD. Es geht um Schlager. Und darum, dass diese Musikrichtung jetzt hip ist. Oder werden könnte. Niemand hofft das mehr als Florian Silbereisen. Deshalb hat er schon mal angefangen mit der Veränderung. Weg mit der Fönwelle, den Glitzersakkos, den bunten Hosen und dem Babyspeck. Ganz in Schwarz tritt er an diesem Abend auf. Durchtrainiert sieht er aus – vielleicht hat er das Fitnessprogramm seiner Partnerin Helene Fischer übernommen.
Sie ist der eigentliche Star an diesem Abend, eine Heilsfigur der ganzen Branche. „Helene Fischer ist die Image-Revolution gelungen“, jubelt Silbereisen. Vielleicht stimmt das sogar. 2013 durfte sie die „Echo“-Verleihung moderieren. Vor ein paar Jahren wurden die Schlager-Preise bei dieser Veranstaltung noch rausgeschnitten, zu uncool. Fischer füllt Stadien, die nicht mal Bon Jovi vollkriegt. Und sie hat junge Fans. Mehr als die Drews und Petris der alten Schule. Mit anderen Worten: Für die Schlagerbranche ist Helene Fischer das, was Boris Becker Mitte der 80er für den Tennis war: ein Entstauber.
Dschungelkönig Ross Antony hat den Schlager für sich entdeckt
Jetzt muss man nur deutlich machen, dass es noch andere gibt. Das scheint die Mission dieser Sendung zu sein. Deshalb hat Silbereisen fast ausnahmslos Künstler eingeladen, die den Schlager mit irgendetwas anderem verquirlen. Oder gar nichts damit zu tun haben. In diese Kategorie fallen zum Beispiel die Harlem Globetrotters. Sie sollen einer älteren Dame aus dem Publikum Basketball-Tricks beibringen, warum auch immer. Später tritt eine Gospel-Truppe aus dem Musical „Sister Act“ auf, dann folgt eine Elektro-Band namens Siro-A, die sehr viel Kraftwerk aufgesaugt hat, aber hörbar null Schlager.
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Da passt der nächste Act schon besser ins „Schunkeln 2.0“-Schema. Voxxclub sind eine Boyband in Lederhosen. Ihre Musik klingt, als hätte man Queens „We Will Rock You“ für die Après-Ski-Hütte aufbereitet. Danach dürfen Voxxclub Heinos „Blau blüht der Enzian“ aufpeppen. Der Schlager-Veteran selbst covert derweil „Junge“ von den Ärzten und „Alles nur geklaut“ von den Prinzen. Auch Dschungelkönig Ross Antony hat den Schlager für sich entdeckt und singt ein 1:1-Cover von „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“. Danach hakt er sich bei den ebenfalls eingeladenen „Riverdance“-Tänzern ein. Die haben zwar nichts mit Schlager zu tun, können aber steppen.
Schlager-Veteranen wirken wie aus einer versunkenen Welt
Die Iren sind der running gag in dieser Sendung und tanzen bei jedem zweiten Künstler durchs Bild – selbst beim Red Army Choir. Der russische Militärchor muss wiederum bei Helene Fischer aushelfen. Bei soviel Crossover wirkt der Auftritt von Andrea Berg fast schon altmodisch. Dafür stimmt das Bühnenbild. Während der Schlager-Star von den Tiefen der Liebe singt, bewegen sich weiße Stoffquallen über die vernebelte Bühne. Mittendrin liegt ein versunkenes Schiff. „Wenn du bei mir in die Halle kommst, ist immer Atlantis“, sagt Berg.
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Auch die anderen Veteranen wirken wie aus einer versunkenen Welt. Howard Carpendale, zum Beispiel. Er muss ohne Militärchor, Riverdancer oder Boyband auskommen. Dafür hat Silbereisen ihm einen Barhocker ins Flammenmeer gestellt, Feuer geht immer. Gemein wird es bei Urgestein Hansi Hinterseer. Für ihn haben die Bühnenbildner einen verlassenen Rummelplatz aufgebaut. Als wollten sie sagen, die Kids spielen inzwischen woanders.
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