Essen. . Ist der Wirbel um das Outing von Thomas Hitzlsperger berechtigt? Oder rennt der ehemalige Fußballnationalspieler offene Türen ein? Über diese Fragen diskutierten Ex-Profi Marcus Urban, Moderator Manni Breuckmann, Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit und andere bei Maybrit Illner.

Als Fußballkommentator war Manni Breuckmann die Stimme des Volkes. Jetzt ist er pensioniert, den Draht zum „kleinen Mann“ hat er immer noch. Bei Maybrit Illner sagt er, was viele denken: Der Wirbel um das Outing von Thomas Hitzlsperger ist übertrieben. Die Homosexualität von Spielern interessiere ihn nicht die Bohne, gibt Breuckmann zu Protokoll. Und warum lobt der Sprecher der Kanzlerin Thomas Hitzlsperger für sein Outing? Hochneurotisch, das Ganze.

Sicher, Breuckmann ist nicht homophob. Wenn es nach ihm ginge, sollte kein deutscher Politiker zu den olympischen Spielen nach Sotschi fahren. Das würde ein Zeichen setzen gegen die schwulenfeindliche Atmosphäre in Russland. Gleichzeitig schwingt beim ehemaligen Sportmoderator das alte Argument mit, Schwule sollten aus ihrer Sexualität nicht so ein großes Ding machen. Was ist zum Beispiel mit einschlägigen Fanclubs, fragt Breuckmann. Sie haben lustige Namen („Wärmer Bremen“), OK, aber werden sie gebraucht?

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Darüber reden, weil es ein Tab ist

Offenbar schon. Da ist sich Marcus Urban sicher. Er muss es wissen. Zu Zeiten der DDR war er Jugendnationalspieler, später wollte er Fußballprofi werden. Dann merkte er, dass sich Homosexualität und dieser Plan nicht sehr gut vertragen. Jetzt engagiert er sich für Toleranz im Fußball. Für ihn ist Thomas Hitzlsperger ein Held. Urban weiß, warum das Outing seines Ex-Kollegen soviel Aufmerksamkeit erregt: „Weil es ein Tabu ist!“ Immer noch, zumindest in diesem Sport.

Neben Urban sitzt ein Mann, der für die vermeintliche Normalität von schwulen Karrieren in anderen Bereichen steht: Klaus Wowereit. Ganz so einfach scheint die Sache selbst in Berlin nicht zu sein. Er bekomme auch heute noch regelmäßig Hasspost, erzählt der regierende Bürgermeister. Als Person des öffentlichen Lebens habe er gelernt, damit umzugehen. Was auf den Sportplätzen und in den Umkleidekabinen passiere, sei etwas anderes. „Da haben wir zum Teil große Probleme.“ Letztes Jahr gab es in Berlin eine Plakataktion für mehr Toleranz schwulen Sportlern gegenüber. Wowereits Leute sprachen eine Reihe prominenter Athleten an. „Bei dem Thema kriegen Sie eher Boxer als Fußballer.“

Wie ein freiwilliger Einsatz in Afghanistan

Das sieht Willi Lemke, langjähriger Manager von Werder Bremen, ähnlich. Ob er einem aktiven Spieler raten würde, sich als schwul zu bekennen, will Illner wissen. Lemke überlegt. Dann spricht er davon, ihn „intensiv zu beraten“, mögliche Konsequenzen aufzuzeigen. „Ich würde meinen Hut ziehen.“ Es klingt eher, als spräche er von einer Freiwilligenmission in Afghanistan als vom Outing eines Profisportlers.

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Von Birgitta Stauber-Klein

Auch Michael Vesper ahnt, dass noch viel zu tun ist. Als Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes hat er Toleranz-Broschüren in Auftrag gegeben. Breuckmann schüttelt den Kopf. „Papiere bringen's nicht!“ Das Outing von Hitzlsperger sieht er generell skeptisch. Den harten Kern der homophoben Fans erreiche man sowieso nicht. Was die Alternative zu Aufklärung und prominenten Bekenntnissen ist, die Antwort bleibt Breuckmann schuldig.

„Ja, Manni, da kannste nicht einfach resignieren!“, findet Vesper. Marcus Urban, der Ex-Profi, stimmt zu. Er ist optimistisch, dass die Geste von Hitzlsperger etwas bewegen wird. „In den letzten 20 Jahren ist viel passiert. Ich muss einfach daran glauben, dass sich demnächst auch ein aktiver Spieler outet.“