Berlin/Hamburg. Die ARD zeigt am Samstag eine neue Verfilmung von Tolstois Klassiker “Anna Karenina“. Es ist bei weitem nicht die erste und wohl auch nicht die kühnste Adaption des Werkes. Doch die italienische Produktion mit auch deutschem Ensemble gefällt dank wunderschönen Bildern und ihren Darstellern.

Leo Tolstois Klassiker "Anna Karenina" hat Filmemacher zu mehr als einem Dutzend Adaptionen für Kino und Fernsehen verführt. Zuerst 1914 in Russland, zuletzt 2012 in England und Frankreich mit Keira Knightley in der Titelrolle. Nun setzen die Italiener einen drauf. Mit 2000 Statisten, 100 Pferden, 30 Kutschen und mehreren historischen Dampfloks drehten sie in Litauen eine große TV-Produktion.

Die Titelheldin und tragische Ehebrecherin verkörpert die 32-jährige Naturschönheit Vittoria Puccini (2005 hatte sie neben Max von Thun im TV-Zweiteiler "Kronprinz Rudolf" gespielt). An ihrer Seite übernahmen zwei Deutsche wichtige Rollen: Benjamin Sadler als Karenin und Max von Thun als Gutsbesitzer Lewin. Das gefühlsträchtige Drei-Stunden-Werk läuft am Samstag um 20.15 Uhr in der ARD.

Ein Fest für die Augen von Kostümfans

Der Film des kanadischen Regisseurs Christian Duguay ("Pius XII.") nach dem Drehbuch von Francesco Arlanch geriet durchaus sehenswert. Zwar wagt die Inszenierung des 1877/8 veröffentlichten Ehe- und Gesellschaftsromans stilistisch kaum Ungewöhnliches, doch bietet sie ein Fest für die Augen von Kostümfilmfans. Wohlfrisierte Damen in edlen Miederroben und Herren in gut geschnittenen Uniformen mit Tressen und Orden, Stadt- und Landpaläste mit prachtvollen Interieurs, Adelsbälle und Offiziers-Pferderennen sind mit großer Geschmackssicherheit ins Bild gesetzt.

Auch interessant

Auf der anderen Seite erlaubt das Skript sinnige Einblicke in die Gedankentiefe des russischen Literaturgroßmeisters, Philosophen und Sozialreformers (1828-1910). Es hat sich aus Tolstois monumentalem Roman vor allem die unglückliche Beziehung der verheirateten Anna zum feschen Gardeoffizier Graf Wronski (der Chilene Santiago Cabrera) sowie die deutlich gelungenere Verbindung zwischen den Idealisten Kitty (Lou de Laâge) und Kostja Lewin (von Thun) vorgenommen.

Erfreulich differenzierte und uneitle Schauspieler

Die Bedeutung von Liebe und Nächstenliebe, Läuterung durch Leid, von Tatkraft und Verantwortung, Güte und Glauben an Gott sind thematische Aspekte, die auch das erfreulich differenziert und uneitel agierende Schauspieler-Ensemble zu transportieren vermag.

So mag man denn den Weg der Heldin gern weiter verfolgen, wenn sie auf dem Moskauer Bahnhof der Faszination des Lebensmanns Wronski auf den ersten Blick erliegt. Verheiratet mit dem staubtrockenen, ehrgeizigen Staatsbeamten Karenin, der stets auf Status bedacht ist, glaubt die junge Adelige in dem eher windigen, aber leidenschaftlichen Offizier den perfekten Partner zum Ausleben ihrer aufgestauten Gefühle gefunden zu haben.

Auch interessant

Anna bekennt sich zunächst wieder zum Ehemann

Spätestens als sie schwanger wird, können beide ihre Affäre vor der Gesellschaft und vor Karenin, der nun den gemeinsamen kleinen Sohn Serjoscha (ernsthaft und liebenswert: Dylan Pierce) als Waffe benutzt, nicht länger verheimlichen. Als Anna bei der Geburt ihrer Tochter zu sterben scheint, bekennt sie sich zunächst wieder zu ihrem Ehemann, der ihr verzeiht.

Doch das Schicksal der quasi gegen die Gesellschaft Liebenden lässt sich dadurch nicht aufhalten. Am Ende ist es wieder eine Szene auf dem Bahnsteig, in der sich für Anna alles entscheidet. Die fatale Entwicklung der Karenina kontrastieren Roman und Film mit der ihrer blutjungen Verwandten Kitty: Sie erkennt nach freiwilligem Einsatz für Kriegsverwundete in einem deutschen Lazarett, dass der von ihr einst abgewiesene, inzwischen selbst gereifte Gutsherr, Bauernfreund und Reformer Kostja Lewin ihr Seelengefährte ist.

Auch für diese beiden hält die Ehe Prüfungen bereit. Doch Kitty und Kostja - zwei selbstlose Diener an ihren Mitmenschen - halten stand, getreu den Worten des orthodoxen Priesters, der das Paar in einer feierlichen Zeremonie traut: "Die Ehe ist eine so ungewisse, mühevolle und gefährliche Reise, dass ich sie ohne den Beistand Gottes niemandem wünschen würde." (dpa)