Düsseldorf. . Im Düsseldorfer Schauspielhaus inszeniert Sebastian Baumgarten „Die Macht der Finternis“. Den feinsinnigen Autor erlesener Prosa wie „Krieg und Frieden“ oder „Anna Karenina“ sucht man in diesem Sündenpfuhl vergebens. Trotzdem gibt es Applaus für das Ensemble, aber auch Buhs für die Regie.

Die Kühe in den Südställen, meint der kranke Bauer Pjotr, sollte man besser nicht mehr melken. Die seien bereits derart verstrahlt, „die leuchten doch schon“. Der Zuschauer, der gekommen war, mit „Macht der Finsternis“ eines der wenigen Bühnenstücke Leo Tolstois zu sehen, sieht sich von Regisseur Sebastian Baumgarten nun plötzlich in eine postnukleare Zukunft versetzt. Was aber ohne Bedeutung bleibt, weil Tolstoi in seinem düsteren Drama ohnehin das Schreckensbild einer irdischen Hölle entwirft, in der Frauen als Antriebskraft des Bösen dienen. Es stellt sich nur kurz die Frage, ob das haarige Fell, das den Schauspielern hier lange Zeit anhaftet, nun Auswirkung einer Mutation oder Sinnbild des Wölfischen sein soll.

Wohl eher des letzteren. Denn was Tolstoi sich hier in einem russischen Dorf abspielen lässt, ist das Ergebnis ungezügelter Trieb- und Lasterhaftigkeit, gepaart mit einer gehörigen Portion Habgier. Zuerst vergiftet die junge Bauersfrau (Tanja Schleiff) ihren kränkelnden alten Gatten (Michael Abendroth), um den rotmähnigen Knecht Nikita (Till Wonka) heiraten zu können, dessen Qualitäten sie bereits kennt. Nach getaner Tat jedoch schwängert Nikita die junge Akulina, Stieftochter seiner Frau, und tötet nach der Geburt das Kind unter schweren Gewissensbissen. Strippenzieherin hinter all dem ist Nikitas Mutter Matrjona, in deren Bösartigkeit sich Imogen Kogge austobt.

Eine gigantische Götzenfigur überragt das Szenenbild

Den feinsinnigen Autor erlesener Prosa wie „Krieg und Frieden“ oder „Anna Karenina“ sucht man in diesem Sündenpfuhl vergebens. Tolstoi hat sich erst spät an dieses erste seiner wenigen Bühnenwerke gemacht und es wohl als Selbstreinigungsprozess verstanden. Seine Tagebücher weisen ihn ja als überaus triebgesteuertes Wesen aus. Die zunehmenden Qualen Nikitas in seinem Stück wirken fast wie Versuche eines persönlichen Exorzismus. Till Wonka, jammernd und bebend, arbeitet sich hier schier ab an der ihn erdrückenden Schuld.

Baumgarten will das schwer erträglich Dämonische der Vorlage nicht etwa mildern, er befeuert das Ganze auch noch und setzt auf die grelle Lösung. Eine gigantische Götzenfigur überragt das Szenenbild von Thilo Reuther, deren ausgebreitete Arme weniger an Segen erinnern denn an die einladende Geste zu einer Jahrmarkts-Horrorshow.

Musik-Videos von „Laibach“

Bis auf wenige Ausnahmen raubt die Regie den Menschen hier fast jede Möglichkeit, sich noch deutlich artikulieren zu können. Und dann knallen auch noch eigens produzierte Musik-Videos der slowenischen Band „Laibach“ in die Szene, die den Tod Gottes proklamieren. Songs, die gut zur Inszenierung passen: laut und überdeutlich.

Verdienter Applaus für das Ensemble und, lange nicht gehört in Düsseldorf, vernehmliche Buhs für die Regie.