Berlin. Die Unterhaltungsbranche feiert “House of Cards“ seit Monaten als das Fernsehen der Zukunft - sie ist eine der innovativsten Fernsehserien der Welt. Dabei ist sie nicht mal fürs Fernsehen produziert worden. Diese Woche startet die fein konstruierte Politikfarce im deutschen Free-TV.
Was für ein Anfang. Es dauert gerade einmal 58 Sekunden, bis der Held tötet. Der Nachbarshund ist angefahren und jault im Sterben, als der höfliche Kongressabgeordnete Francis Underwood (Kevin Spacey, "American Beauty") ihn erlöst. Und zwar mit dem brutalen Brechen des Genicks. "Ich bin nicht sehr geduldig, wenn etwas sinnlos ist. Momente wie dieser erfordern immer jemanden, der handelt", sagt er und schaut dem Zuschauer zum ersten Mal direkt ins Gesicht. Willkommen zu "House of Cards". Diese Serie bricht mit Sehgewohnheiten. Am Mittwoch (22.10 Uhr) startet sie im Free-TV auf ProSieben Maxx, am Sonntag (10. November/23.15 Uhr) auf Sat.1.
"Jeder Politiker, der 70 Millionen Stimmen kriegt, hat von etwas profitiert, das größer ist als er selbst", sagt Routinier Underwood herablassend über den neuen Präsidenten. Er selbst ist seit 22 Jahren im Kongress, wie er dem Zuschauer erzählt: "Mein Job ist, die Rohre durchzublasen, damit die Scheiße abfließen kann." Underwood glaubt fest, auf das richtige Pferd gesetzt zu haben. Als er dann aber selbst einem Gemauschel zum Opfer fällt, verwandelt sich Gleichmut in Hass. Das Außenministeramt, das man ihm fest versprochen hatte, hat ein anderer bekommen - aus taktischen Gründen.
Das Ehepaar sammelt Verbündete, Laufburschen und Zuträger
Der politische Einpeitscher und seine genauso skrupellose Ehefrau Claire (Robin Wright, "Forrest Gump") weben ein Spinnennetz, sammeln Verbündete, Laufburschen und Zuträger mit kleinen Gefallen und offener Erpressung. Einen alkoholkranken Politiker rettet Underwood gar vor dem Knast, um sich seine Loyalität zu sichern. Nichtsahnend wird auch die junge Journalistin Zoe Barnes (Kate Mara, "Shooter") zu einem der Eckpfeiler des Masterplans.
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Die bloggende Idealistin Zoe will eigentlich im Politikbetrieb die "Schleier lüften" und "zeigen, was da wirklich passiert", wie sie vor einem Kollegen prahlt. Stattdessen wird sie zur Marionette des Puppenspielers Underwood, der ihr gezielt Halbwahrheiten zusteckt, um die Parteifreunde unter Druck zu setzen. Was vermeintlich "geleakt" auf der Internetseite der Hauptstadtzeitung steht, ist in Wirklichkeit nur das, was Underwood dort sehen will.
Nach einer BBC-Serie von 1990
"House of Cards" - ein freies Remake einer britischen BBC-Serie von 1990 - zeigt Washington als eine zynische Intrigenhölle. Es geht um den Kampf um Macht und Geld, um Gier nach Aufmerksamkeit, nach Status und nach Online-Klicks. Das Netz spielt eine große Rolle in dieser Serie.
Das ist nur konsequent, denn Produzent David Fincher ("Sieben") hat "House of Cards" ursprünglich nicht für das klassische Fernsehen, sondern für den amerikanischen Streamingdienst Netflix konzipiert. Eine der Neuheiten: Alle 13 Folgen der ersten Staffel waren bei Netflix am selben Tag verfügbar, ein Zugeständnis an den Trend "Binge Watching", das Gucken von vielen Serienepisoden am Stück. Bei der Ausstrahlung im deutschen Free-TV gilt jedoch der Wochentakt.
Ungewöhnliche Schnitte treiben die Handlung an
Auch in der Dramaturgie folgt die Serie den Spielregeln der Internetgeneration: Ungewöhnliche Schnitte treiben die Handlung an. Bevor die Aufmerksamkeit der Digital Natives - also derjenigen, die schon mit dem Internet aufgewachsen sind - nachlassen kann, gibt es entweder einen neuen Handlungsablauf oder ein sexuelles Bonbon.
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Dass der Star dieser Politserie die "vierte Wand" durchbricht und direkt den Zuschauer anspricht, erinnert an US-Sitcoms. Vorbild dafür sei allerdings Shakespeares Königsdrama "Richard III.", wie Drehbuchautor Beau Willimon der Programmzeitschrift "TV Today" sagte: "Die Szenen machen den Zuschauer zu einem Mitverschwörer und Komplizen."
Serie bekam den Emmy in drei Kategorien
Die Unterhaltungsbranche feiert "House of Cards" seit Monaten als das Fernsehen der Zukunft. Entgegen den Erwartungen vieler blieb dem Format aber bei dem weltweit wichtigsten Fernsehpreis Emmy ein echter Triumph verwehrt. Immerhin gab es einen Emmy für die beste Regie und zwei Auszeichnungen in Nebenkategorien.
Geschadet hat das nicht. In den USA ist die Serie ohnehin ein Publikumshit und hat Netflix - es ist bisher in Deutschland nicht verfügbar - weltweit zu großer Bekanntheit verholfen. Offensichtlich haben die "House of Cards"-Macher selbst einiges von Underwoods Machtinstinkt im Blut. (dpa)