Berlin. Der Medienexperte Bernd Gäbler hat kurz vor der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises die Nominierung von “Berlin - Tag & Nacht“ kritisiert. RTL-II-Kommunikationschef Carlos Zamorano widersprach, und sagte, die Sendung habe das Fernsehen mit einem neuartigen Erzählkonzept nachhaltig verändert.
Die Chance auf einen Fernsehpreis für die RTL-II-Reihe "Berlin - Tag & Nacht" (BTN) hat in der Medienbranche Kritik ausgelöst. "Das ist ein schlechter Witz", erklärte der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler, von 2001 bis 2004 Leiter des Grimme-Instituts in Marl. BTN hofft an diesem Mittwoch in der Kategorie Beste Unterhaltung Doku/Dokutainment neben "Auf der Flucht - Das Experiment" (ZDFneo) und "Shopping Queen" (Vox) auf die Auszeichnung. RTL II wehrte sich gegen die Vorwürfe.
"Zum Konzept von "Berlin - Tag & Nacht" gehört ein bewusst dilettantisches Schauspiel", schrieb Gäbler in seiner Mitteilung. "So soll die Vermutung mobilisiert werden: Was so schlecht gespielt ist, kann nur echt sein." Das Format sei "aggressive Anti-Kunst" und lebe nur von einem "Kult des Authentischen". Die Reihe, hauptsächlich in einer Berliner WG angesiedelt, ist "gescriptet", das heißt: von Laiendarstellern besetzt, die nach Drehbuch agieren.
RTL II ist vom innovativen Konzept der Sendung überzeugt
In seinem Buch "Bohlst du noch oder klumst du schon?", in dem sich Gäbler einigen TV-Phänomenen kritisch nähert, argumentiert er, dass es sich bei BTN um ein Medienprodukt handele, das das Bewusstsein des Publikums zugunsten eines "vermeintlichen Live-Effekts" vernebeln wolle. "In diesem Sinne ist "Berlin - Tag & Nacht" auch anti-aufklärerisch und darf auf keinen Fall auch noch mit dem Deutschen Fernsehpreis belohnt werden."
Der wichtigste Fernsehpreis der Welt
RTL II kontert. "Die Kritik an dem Format erinnert doch stark an die Ablehnung, der sich zahlreiche Jugendtrends ausgesetzt sahen: ob Rock'n' Roll, Punk, Hip Hop oder Comics", sagte Kommunikationschef Carlos Zamorano. "Sie alle eint, dass stark konservativ geprägte Menschen diese Innovationen nicht verstanden haben. So geht es uns derzeit auch mit BTN." Das Format habe das Fernsehen nachhaltig verändert - mit einem neuartigen Erzählkonzept, "unglaublich tollen Darstellern, einem innovativen Kommunikations- und Social-Media-Konzept. Aber das werden die Kritiker wohl erst in ein paar Jahren respektieren, wenn unser Format noch häufiger kopiert wurde."
BTN ging im September 2011 auf Sendung und ist immer werktags um 19 Uhr auf RTL II zu sehen. Die Quoten der Sendung stiegen nach und nach an - bis 1,5 Millionen Zuschauer sind täglich dabei, auch im Netz ist die Fangemeinde groß. 2,7 Millionen haben bereits auf Facebook den Daumen hoch gehalten. Mittlerweile läuft mit "Köln 50667" ein ähnliches Format auf dem Sendeplatz um 18 Uhr. (dpa)