Essen. Stefan Raab fühlt sich dem Katzentisch Unterhaltungsfernsehen entwachsen. Er will bei den Großen sitzen und über Politik reden, am liebsten gleich das TV-Duell zwischen Merkel und Steinbrück moderieren. Doch damit überschätzt er sich. Wer Klamauk kann, kann noch lang kein seriöses Rededuell führen.

TV Total, Schlag den Raab, Wok-WM, Autoball-WM, Turmspringen - egal, was Stefan Raab anfasst: Es wird zum Erfolg. Der Mann, das bestätigen auch seine Kritiker, versteht das Unterhaltungsgeschäft wie kaum ein Zweiter. Das belegen nicht nur hunderte erfolgreiche Sendungen, sondern auch dutzende Auszeichnungen. Doch all das scheint Raab, der als extrem ehrgeizig gilt, seit jüngstem nicht mehr genug zu sein.

Raab will mehr sein als nur der Meister der Unterhaltung, er will als ernstzunehmender Moderator wahrgenommen werden. Deshalb rief er mit "Absolute Mehrheit" eine eigene Politik-Talkshow ins Leben und deshalb will er auch für ProSieben.Sat1 das TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Peer Steinbrück (SPD) moderieren.

Kann Entertainer Raab das? Nicht zuletzt Steinbrück schien das zu bezweifeln und wehrte sich zunächst gegen Raab als Moderator: Politik sei keine Unterhaltungssendung, sondern ein ernstes Geschäft. Erst später rudert Steinbrück zurück, nun kann er sich Raab doch wieder als Moderator vorstellen. Die Kanzlerin gibt sich in der Sache zurückhaltend: Die Entscheidung über die Fragensteller liege bei den Sendern.

Dabei sind die Zweifel, ob Stefan Raab das ernste Geschäft beherrscht, durchaus berechtigt.

Wo Raab draufsteht, steckt fast immer Klamauk drin

Bei nahezu allem, was Raab bislang anfing, stand mehr oder weniger Klamauk im Mittelpunkt. Seine Gesprächspartner laufen stets Gefahr, von ihm durch den Kakao gezogen zu werden. In der ersten Ausgabe von "Absolute Mehrheit" fragte er den CDU-Politiker Michael Fuchs, wer die Gans gestohlen habe. Zudem veralbert er FDP-Chef Philipp Rösler: „Wenn der das beim Abendessen sieht – hoffentlich fallen ihm nicht die Stäbchen aus der Hand.“

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Hält Stefan Raab die Moderationskarten in der Hand, ist es eigentlich auch egal, wer auf der Gästecouch Platz nimmt. Der Moderator hört ohnehin am liebsten sich selbst zu. Daran, dass er die besten Witze erzählt, besteht für ihn auch kein Zweifel. Für TV Total ist das seit Jahren (gefühlt: Jahrzehnten) eine funktionierende Arbeitsgrundlage. Die Fans wissen, was sie erwartet. Sie kriegen, was ihnen gefällt. Protagonisten und Zuschauer eines TV-Duells dürften mit dieser Art Moderation weniger gut zurechtkommen.

Stefan Raab will auch Politik zum Wettkampf machen

Den Kontrahenten niederzureden, statt ihn zu überzeugen, ist längst in allen Politik-Talkshows angekommen, doch Stefan Raab treibt es mit "Absolute Merheit" auf die Spitze: Die Diskutanten werden noch während der Sendung live vom Publikum an den Bildschirmen bewertet. Wer die Hälfte der Anrufer auf sich vereint, gewinnt den Jackpot. Auch wenn das System kaum einen Spitzenpolitiker dazu treiben dürfte, um des Geldes Willens von seiner Meinung abzuweichen, so leistet es doch dem Populismus Vorschub: Das schnelle Argument schlägt das komplizierte, der laute Redner den zurückhaltenden Denker.

Der Entwickler und Moderator dieses Formats soll im Sommer nun das Rededuell zwischen Merkel und ihrem Herausforderer moderieren. Müssen wir danach überhaupt noch wählen gehen oder lässt sich das bequem per Telefon während der Sendung erledigen (nur 49 ct. pro Anruf aus dem deutschen Festnetz, Mobilfunk abweichend)?

Wenn Stefan Raab seine Politik-Talkshow nutzt, um sich selbst zu beweisen, dass er auch ernsthafte Moderation kann, ist das völlig okay. Vielleicht mausert er sich ja sogar noch zu einem seriösen Moderator, der auch ein Kanzler-Duell würdig führen kann. Noch allerdings sollte Raab den anerkannten Politikjournalisten den Vortritt lassen.