Essen. . Ein großartiger Matthias Habich brilliert in „Abschied von Hannah“. Die ARD-Serie „Liebe am Fjord“ nimmt das verkannte Melodram ernst, verzichtet konsequent auf den ganzen überzuckerten Schnickschnack, und die fünfte Folge (Freitag, 19. Oktober, 20.15 Uhr) wurde auch deshalb ein großer Wurf.
Das Melodram wird ja hierzulande oft mit Gefühlsduselei verwechselt. Die Liebe, das Leid, der Tod – versendet und verschenkt im Schema F. Nach der Krise (dunkle dräuende Wolken!) winkt natürlich der Silberstreif am Himmel, und am Ende folgt unweigerlich das Happy End. Alles in allem: Große Gefühle vor großen Landschaften, gern Cornwall, zumindest aber ein von Rosen umkränztes Landhaus. Die ARD-Serie „Liebe am Fjord“ dagegen nimmt das verkannte Genre ernst, verzichtet konsequent auf den ganzen überzuckerten Schnickschnack, und die fünfte Folge „Abschied von Hannah“ (Freitag, 20.15 Uhr) wurde auch deshalb ein großer Wurf.
Der Schriftsteller Henrik Agdestein ist ein grenzenlos zorniger Einsiedler, verbunden mit dem Leben allein durch seine liebevolle Frau. Als diese stirbt, nach einer elenden Leidenszeit, reisen die drei Kinder zur Beerdigung an. Alles klar, ist man da versucht zu denken, man weiß ja, wie der Hase läuft. Jetzt wird der alte Zausel bestimmt geläutert, vielleicht ein Blick noch auf den süßen Enkel, und die raue Schale zerplatzt doch garantiert und gibt den Blick frei auf einen weichen Kern.
Zärtlichkeit lernt man nicht in 90 Minuten
Aber so einfach macht uns das dieser vorzügliche Film nicht, und so leicht nimmt auch der großartige Matthias Habich diese Rolle nicht. Wie dieser Habich ins Krankenzimmer humpelt, das grimmig pürierte Essen für seine todkranke Frau auf dem Tablett! Wie er in der Trauer versteinert und am Ekel über das Leben fast erstickt! Wie er mit eiskalter Wut die letzten Brücken zerstört, den Hund mit einem Fußtritt und die langjährige Haushälterin mit einem bösen Wort verjagt! Das ist alles so stimmig, da passt jedes Wort, jedes Zucken im zerfurchten Gesicht, und fast ist man versucht, darüber die vorzügliche Leistung der anderen Schauspieler, die wunderbaren Bilder und die exakte Dramaturgie zu vergessen.
Die Beisetzung endet mit einem bitteren Streit, und die Kinder beschließen, den Abschied von ihrer Mutter anders zu begehen, mit einem Fest im Dorf, dessen Bewohner die Frau des Schriftstellers doch so liebten.
Auch der Vater nimmt teil, und man kommt sich näher. Auch das wird knapp erzählt. Die großen Wahrheiten darf man ja nicht zerreden. Und noch eine wunderbare Szene: Beim Abschied umarmt der Menschenfeind den Partner des schwulen Sohnes, reicht diesem aber nur die Hand, und auch das ist natürlich richtig: So schnell heilen die Wunden nur selten, und Zärtlichkeit lernt man nicht in 90 Minuten.