Hamburg. . Eine beängstigende Entwicklung hat das Fernsehen genommen, was die Technik angeht - zumindest in den Augen vorn Gerhard Delling. Ein Interview über die Sportschau, Experten im Fußball, technische Hilfen und Manfred Krugs Krawatten.
Am Montag feiert ARD-Sportreporter Gerhard Delling (53) sein 25-jähriges Arbeitsjubiläum. In Hamburg, beim Interview, ahnte Gerhard Delling noch nicht, dass er dies nicht bei der Europameisterschaft würde feiern können. Private Gründe zwangen zur vorzeitigen Rückkehr.
25-jähriges Arbeitsjubiläum – fühlen Sie sich gealtert?
Gerhard Delling: Wenn ich darüber nachdenke, was alles gewesen ist, fühle ich mich tatsächlich manchmal alt. Aber: Das Schöne an unserem Beruf ist, manchmal hat man natürlich mit älteren Kollegen zu tun, aber eben auch mit ganz, ganz vielen jungen. Und natürlich auch mit jungen Sportlern. So richtig bewusst wird mir das wahrscheinlich erst, wenn ich aufhöre, und dann werde ich in ein tiefes Loch fallen.
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie sich auf alten Fernsehbildern sehen?
Delling: Meine Frisur war damals ziemlich haarig. Meine Haare standen etwas zu Berge, eine Art Bürste, und ganz am Anfang hatte ich sogar noch einen Schnäuzer. Das hat heute vielleicht einen Unterhaltungswert, bis vor einigen Jahren hat es weh getan.
Und kleidungsmäßig?
Delling: Ich hatte ein Faible für ganz, ganz bunte Hemden.
Die Antwort der „Sportschau“ auf Jürgen von der Lippe ...
Delling: ... und Manfred Krug. Der hatte als „Tatort“-Kommissar eine Vorliebe für ganz bunte Krawatten. Das fand ich gut, damals – und da stehe ich auch zu.
Ist das moderne Fußball-Fernsehen etwas grauer geworden?
Delling: Zumindest von der Kleidung. Sonst nicht. Das Fernsehen hat eine geradezu beängstigende Entwicklung genommen, im Hinblick darauf, welche technischen Möglichkeiten wir heute haben, mit wie vielen Schnitten wir arbeiten, wie brillant die Bilder geworden sind. Früher waren wir ja froh, wenn wir sehen konnten, wie der Ball ins Tor flog.
Die Technik erlaubt mehr Präzision.
Delling: Nicht unbedingt. Es ist unheimlich schwer, die Kameras ganz genau einzustellen. Das hat Konsequenzen beim Abseits. Da können schon mal zwei Zentimeter entscheiden. Deshalb finde ich es klug, dass man sagt, im Zweifel für den Angreifer.
Wo stehen Sie beim Streit um Tatsachen-Entscheidung des Schiedsrichters oder Fernsehbeweis?
Delling: Ich kann nicht verstehen, dass wir die Mittel, die wir haben, nicht nutzen. Ich fände es als spielerisches Element gar nicht schlecht, wenn jede Mannschaft einmal pro Halbzeit den Fernsehbeweis in strittigen Fällen aufrufen könnte. Dann gäbe es grobe Ungerechtigkeiten nicht mehr, die schon darüber entschieden haben, wer zur EM fährt und wer nicht. Man könnte sogar dem Schiedsrichter eine Überprüfung in strittigen Fällen erlauben.
Vor einigen Jahren sind Fußball-Experten eingeführt worden. Brauchen Sie Sparring-Partner wie Mehmet Scholl oder Günther Netzer?
Delling: Nein! Die Gespräche mit Mehmet Scholl oder früher mit Günther Netzer waren bereichernd, waren eine Freude. Und Günter Netzer ist einer der besten Fachleute, die es im Fußball gibt. Aber auch der Journalist sollte so viel Wissen haben, dass er ein Spiel bewerten kann. Also „brauchen“ nicht, aber „haben“ ist durchaus bereichernd.
Was hat sich für Sie in 25 Jahren verändert?
Delling: Gravierend viel. Ich habe gelernt, loszulassen und mich auf Neues einzulassen. Die BBC hatte beispielsweise vor Jahren bei einem Spiel in Wembley einen Kreis um die Mauer gezogen, um den Abstand zum Schützen zu markieren. Erst haben wir gesagt, das ist eine Spielerei. Aber uns war auch sofort klar, das sieht doch gut aus und ist ein neues, zusätzliches Element. Ich hoffe nur, dass bei der rasanten technischen Entwicklung nicht das Menschliche auf der Strecke bleibt. Wir haben in unserer Redaktion ein Mannschaftsgefühl.
Elf Freunde?
Delling: Elf Freunde ist vielleicht übertrieben. Aber gerade bei der „Sportschau“ sind wir tatsächlich auch kameradschaftlich sehr eng zusammengewachsen.