Essen. . Günter Netzer spricht im Interview über erfolgreichen Fußball, seine ehemalige Disco und das deutsche EM-Viertelfinale gegen Griechenland. Die deutsche Mannschaft hält er momentan im Gesamtbild für unantastbar: “Du kannst doch nicht eine Mannschaft verurteilen, die drei Spiele gewonnen hat.“

Günter Netzer war einer der Protagonisten in der deutschen „Jahrhundertelf“, die vor 40 Jahren schön und erfolgreich spielte und 1972 Europameister wurde. Heute ist der 67-Jährige ein kritischer Beobachter des Fußballs. Und er ist gespannt auf das Duell Deutschland gegen Griechenland.

Herr Netzer, die Deutschen zeigen noch nicht die Glanzform von der WM 2010. Und Gegner Griechenland steht für Mauer-Fußball. Droht ein mühsames Viertelfinale?

Günter Netzer: Ja. Die Griechen suchen ihr Heil in der Verteidigung. Das können sie am besten. Es ist die Aufgabe der deutschen Mannschaft, die Abwehr rechtzeitig zu überwinden. Dann müssen die Griechen was machen. Das wird unser Spiel erleichtern. Aber der Weg bis zum ersten Tor wird sehr steinig.

Es gab zuletzt Kritik am DFB-Team. Die Mannschaft spiele erfolgreichen, aber keinen schönen Fußball.

Netzer: Mein Kriterium für den schönsten Fußball ist, dass man spielerische Qualität erzeugt und dabei die Spiele gewinnt. Diese Form der Schönheit bringt ganz große Freude in mein Fußballerherz. Aber die erste Anforderung in so einem Turnier muss bleiben, dass du deine Spiele gewinnst. Und dabei ist das Schönste nicht immer zu erreichen. Hier kommt es auf den Erfolg an. Und dass man zum Schluss, auch wenn es nicht so schön war, vielleicht sogar Europameister wird.

„Zu einer großen Mannschaft gehört ein Titel“

Also wäre Kritik von Ihrem ehemaliger ARD-Partner Gerhard Delling und Ihnen moderat ausgefallen?

Netzer: Du kannst doch nicht eine Mannschaft verurteilen, die drei Spiele gewonnen hat. Dieses Gesamtbild ist unantastbar. Aber man kann sagen, dass die Mannschaft enorm steigerungsfähig ist. Einzelne Spieler, wie Mesut Özil oder Lukas Podolski, können mehr. Das wissen sie. Diese Kritik muss erlaubt sein. Dagegen kann sich kein Spieler wehren. Das wäre ja noch schöner.

Sie haben 1972 mit der Nationalelf schön und erfolgreich gespielt. Könnten Sie sich ein Duell mit dem Team 2012 vorstellen?

Netzer: Nein. Der Fußball hat sich so sehr verändert. Das Spiel heute ist ein ganz anderes Spiel als bei uns. Wir waren die Besten unserer Zeit. Sie sind die Besten ihrer Zeit.

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Ihre Jahrhundertelf hat 1972 den EM-Titel geholt. Auch von den Weltmeistern 1954 und 1990 wird immer noch geredet. Braucht eine Spieler-Generation einen Titel, um sich im nationalen Fußballgedächtnis zu verankern?

Netzer: Zu einer großen Mannschaft gehört ein Titel. Das wissen unsere Jungs. Du kannst nicht darauf verweisen, dass du immer Zweiter geworden bist. Aber dafür sind die Jungs auch viel zu besessen und zu ehrgeizig.

Sie sind früher nicht nur auf dem Rasen, sondern auch mit markanten Autos und Frisuren aufgefallen, waren sogar Disco-Besitzer in Mönchengladbach. Sind Ihnen die heutigen Musterprofis, zu brav?

Netzer: Das mit der Disco war pure Verzweiflung, Gladbach konnte mich nicht bezahlen. Aber ich könnte heute auch nicht so wie damals leben. Früher kam einmal im Monat ein TV-Team zu uns. Heute stehst du unter ständiger Beobachtung.