Köln. . Sämtliche WDR-Wellen haben bei der jüngsten Reichweiten-Analyse verloren. WDR-Hörfunkchef Wolfgang Schmitz bleibt dennoch gelassen. Er vertraut der traditionellen Stärke seiner Sender. Schließlich sei 1Live für internationale Stars immer noch die erste Adresse in Deutschland.

Radio liegt wieder im Trend, gerade bei jungen Leuten. Tagsüber hat der Hörfunk seine ohnehin große Reichweite noch ausgebaut. Insgesamt läuft das Radio im Schnitt 199 Minuten täglich. Allerdings profitieren vor allem private Wellen von der neuen Lust auf den Hörfunk. WDR-Hörfunkchef Wolfgang Schmitz stellte sich den Fragen.

Die privaten Radiosender – allen voran Marktführer Radio NRW – legen zu, und alle WDR-Wellen verlieren Hörer. Was ist da schief gelaufen?

Wolfgang Schmitz: Bei den Reichweite-Analysen gibt es immer Wellenbewegungen. Erst wenn die Kurve in mehreren Hörer-Studien nach unten zeigt, muss ich mir Sorgen machen. Aber: Wir werden uns die Ergebnisse genau ansehen, ob es nicht doch die eine oder andere Schwachstelle gibt.

Bei Veränderungen gibt es Wanderungsbewegungen

Die Traditionswelle WDR 4 haben Sie voriges Jahr modernisiert. Ist der Sender inzwischen zu flott?

Schmitz: Ist er nicht. Das Ergebnis von WDR 4 erfreut mich sogar, auch wenn der Sender verloren hat. Wenn Sie eine so umfassende Veränderung vornehmen, wie wir sie im letzten Jahr erlebt haben, müssen Sie damit rechnen, dass es Wanderungsbewegungen gibt. Es gibt Leute, die den Sender weniger oder gar nicht mehr hören, und es dauert erfahrungsgemäß eine Weile, bis neue Hörerschichten den Sender für sich entdeckt haben.

Welche Schichten?

Schmitz: Wir wollen das Lebensgefühl der aktiven Älteren bedienen, die mit Ende 50, Anfang 60 nicht das Gefühl haben, jetzt ist Schluss, sondern jetzt beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Das sind Leute, die in den Sechziger-Jahren mit englischsprachiger Musik aufgewachsen sind, und dem tragen wir Rechnung – im Übrigen auch im Wortprogramm durch mehr alltagsbezogene Themen.

Muss die Umstellung durch mehr Veranstaltungen begleitet werden?

Schmitz: Wir machen Veranstaltungen, die das Lebensgefühl unserer Zielgruppe aufnehmen, und deshalb laden wir im Sommer in Oberhausen zu einem großen Oldie-Marathon ein. Wir werden aber auch weiter den Schlager-Teil pflegen.

Diffuses Unwohlsein am öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Auch bei WDR 3 kämpfen Kultur-Konservative um gewohnte Formate. Wäre Ihnen Ärger erspart geblieben, wenn Sie die Programm-Änderungen offensiver erklärt hätten?

Schmitz: Das glaube ich nicht. Überall in der Kultur-Szene haben Sie lauten Protest, wenn es auch nur den Schatten eines Verdachts gibt, dass etwas am Kulturangebot gekürzt werden soll. Der jetzt laut gewordene Protest hat sich nach meiner Beobachtung schon längst von dem Thema WDR 3 gelöst. Hier drückt sich diffuses Unwohlsein bestimmter Kreise am öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus.

Worum geht es Ihnen?

Schmitz: Dass bestimmte Angebote bei WDR 3 im Laufe der Jahre zurückgefahren worden sind, hat mit unserer Programmstrategie zu tun, die sich im Übrigen am WDR-Gesetz ausrichtet. Es heißt dort: WDR 3 ist ein musikgeprägtes Kulturprogramm, WDR 5 ein Wortprogramm. Insgesamt aber haben wir nicht abgebaut, auch nicht beim Sperrigen.

Sie wollen das Programm verjüngen, die Initiative„Radioretter“ spricht von Verflachung. Heißt jung dumm?

Schmitz: Ich wüsste nicht, wo es bei den hochwertigen Kulturprogrammen (WDR 3 und WDR 5, Red.) Verflachung gibt. Die Programme rechtfertigen sich nicht durch Quote, sondern Relevanz. Und wenn wir gucken, wer uns hört, müssen wir feststellen, dass es bei uns so ähnlich ist wie bei den Konzerthäusern: Das Durchschnittsalter der Hörer liegt bei ungefähr 60. Wir wollen den klassisch Kultur-Interessierten weiterhin ein anregendes Programm geben. Wir wollen aber auch neue, jüngere Hörerschichten erschließen. Und dafür brauchen Sie neue Formen und neue Ansprache.

Die beiden Wellen sind stabil auf hohem Niveau

Schließlich: Selbst Ihre Zugpferde 1Live und WDR 2 lahmten im Winter. Was brauchen die Massensender, damit das Publikum wieder gern aufsattelt?

Schmitz: Die beiden populären Wellen sind relativ stabil auf hohem Niveau. 1Live ist sogar die erfolgreichste junge Welle auf dem Kontinent. Wenn eine Top-Band wie Coldplay ein neues Album vorstellt, heißen die ersten Adressen: die BBC in London und 1Live in Köln.