Essen. . „Deutschland sucht den Superstar“ startete mit 16 Kandidaten in die Live-Shows. Dabei waren ein überdrehter Bruce Darnell und die grellbunten Outfits der Teilnehmer wichtiger als deren Gesang. Mit dem Schweizer Luca Hänni haben die Juroren um Dieter Bohlen vermutlich einen neuen Teenie-Liebling in der Sendung.
Es gibt wenig, was so unecht ist wie die RTL-Show „Deutschland sucht den Superstar“. In nunmehr neun DSDS-Staffeln ist es Dieter Bohlen nicht gelungen, auch nur einen einzigen Superstar hervorzubringen. Wer am Ende mehr als eine Single in den Charts platzieren konnte, war schon ein echter Erfolg. Zum Glück für die Kandidaten gibt es zusätzlich zum wertlosen Titel auch eine halbe Million Euro zu gewinnen.
Doch Geld allein erklärt nicht, was Kandidaten, Juroren und Moderator Marco Schreyl dazu bringt, sich in aller Öffentlichkeit der Lächerlichkeit preiszugeben. Der irrationale Glaube ans Berühmt-Werden, beziehungsweise (auf Seiten der Juroren) der verzweifelte Wunsch, im Gespräch zu bleiben sind es wohl, die diese Sendung am Leben erhalten.
Statt 15 diesmal 16 DSDS-Teilnehmer – ein durchschaubares Manöver
Die sinkenden Quoten bekämpft RTL mit einem so einfachen wie durchschaubaren Trick: „Das gab es noch nie bei DSDS!“ Statt wie in den Jahren zuvor 15 Kandidaten, gab es in dieser ersten Live-Show 16 Teilnehmer. Dieter Bohlen hatte sich, völlig spontan und extrem überraschend, dazu entschlossen, den Österreicher Thomas Pegram, der auf den Malediven schon herausgeflogen war, wieder dazuzuholen. Zufällig, als dieser gerade am Freitag in der RTL-Sendung „Punkt 9“ saß.
Dass bereits aussortierte Kandidaten im Programm zu weiteren Sendeminuten verwurstet werden, ist vermutlich keine Seltenheit. Doch hier konnten alle Kandidaten bei der Ernennung des neuen Konkurrenten zuschauen. Zufällig saßen sie nämlich alle freitags um kurz nach neun vor dem Fernseher.
Sechs Frauen und zehn Männer kämpfen um einen Platz in den DSDS-Top-Ten
Sechs junge Frauen und zehn junge Männer zwischen 16 und 34 Jahren kämpfen nun an diesem Samstag gute drei Stunden lang darum, unter die Top Ten zu kommen. Ein Traum, den nur die Zuschauer per kostenpflichtigen Anruf wahr machen können. Die Aufgabe der Jury ist dabei relativ beschränkt. Nach jedem Auftritt geben sie eine Prognose ab, in 95 Prozent der Fälle eine positive, denn natürlich sollen die Zuschauer so oft wie nur irgend möglich anrufen.
Als erstes singt Ursula mit dünner Stimme und knappem Outfit – doch nachdem sie Bruce, der zu Anfang der Show überdreht und einigermaßen zugedröhnt wirkt, einen Kuss gegeben hat, bekommt sie zwei „ja“. Nur Dieter Bohlen glaubt, sie wird nicht weiterkommen.
Bruce Darnell benimmt sich noch seltsamer als sonst
Als Nächstes singt Daniele, der, wie die Zuschauer im Einspieler erfahren dürfen, eine harte Jugend hatte, zur Aggressivität neigt und in einem Jugendwohnheim lebt, „Forget You“ von Cee Lo Green. Bruce Darnell macht unterdessen weiter mit seiner Freakshow, lässt alle aufstehen, küsst Dieter Bohlen, worauf dieser sagt „Immer wenn ich dich sehe, bekomme ich Appetit auf Schokolade“.
„Zufällig“ hat Moderator Schreyl Schokolade dabei, die Dieter Bohlen einfach aufisst, ohne sie mit Bruce zu teilen. Langweiliger und einstudierter können Dialoge kaum sein. Während Cascada-Sängerin Natalie unauffällig bleibt und den Kandidaten ausschließlich nette Dinge sagt, dreht Bruce immer weiter auf. Gemeinsam mit dem ganzen Saal versucht er, das Wort „Gedächtnis“ möglichst seltsam auszusprechen – bis Dieter Bohlen ihm irgendwann das Wort „Dingsbums“ nahelegt.
DSDS-Kandidat Christian Schöne gibt sich Blöße im Borat-Einteiler
Doch wer glaubt, es könne nun nicht mehr anstrengender und geschmackloser werden, wird von Christian Schöne, 34, eines Besseren belehrt. „Der Herr Schöne“, wie ihn Schreyl aus unerfindlichen Gründen nennt, gibt Tanzstunden und ist noch mehr als jeder andere, der an diesem Samstagabend über den Bildschirm flimmert, bereit, sich für ein paar Minuten Sendezeit absolute Blöße zu geben. Ob im grünen „Borat“-Stringtanga auf den Malediven oder im Lederschurz auf der Live-Bühne: „der Herr Schöne“ gibt den Freak, neben dem auch Bruce seriös wirkt und vor dem sich die Zuschauer zu Hause ordentlich gruseln dürfen.
Bei Silvias Interpretation von Whitney Houstons „I Wanna Dance With Somebody” springt Bruce dann sogar auf die Bühne und tanzt mit. „Nehmt Bruce das Koks weg“ kommentieren die Zuschauer auf Twitter genervt. Doch die meisten Tweets gelten den Outfits der Kandidaten. Geschmacklos, grell und genauso peinlich-durchkalkuliert wie die Sendung selbst sind die bedauernswerten Teilnehmer eingekleidet. Schlagersänger Kristof Hering kommt mit ärmellosem pinkfarbenen Top, ärmelloser Jeansweste und grellen Turnschuhen besonders schlecht weg.
Der Schweizer Maurer Luca Hänni passt perfekt ins Bravo-Schema
Während die Jury das großartige Styling und die unglaublichen Stimmen der Kandidaten lobt, beschweren sich die Zuschauer via Twitter. „Langweilig“, murren die meisten und „Das war schlecht. Warum so gute Kritik?“. Doch einer bekommt auch hier gutes Feedback. Der Schweizer Maurer Luca Hänni, 17, der so genau ins Bravo-Girl-Schema passt, dass in Dieter Bohlens Augen schon die Dollarzeichen zu sehen sind. „Wenn ich mir einen Star backen könnte, er wäre ungefähr so wie du“ freut er sich über den Glücksgriff.
„Die kleinen Mädchen werden dir die Bude einrennen“ prophezeit der Ex-Modern-Talking-Sänger noch und damit das auch ganz sicher geschieht, trägt Luca beim Auftritt unter dem grellgrünen Blazer nur nackte Haut. Außerdem ist im Hintergrund er selbst zu sehen – oben ohne.
DSDS schlachtet die traurige Kindheit von Joey gnadenlos aus
Noch verstörender ist nur der Einspieler des 18-jährigen Joey Heindle. Was der Junge den Kameras anvertraut, hat in einer Unterhaltungssendung nichts verloren. Immer wieder wird Joey als „nicht ganz normal“ bezeichnet, jeder Zuschauer kann sehen, dass mit diesem Jungen etwas nicht stimmt. Doch anstatt ihn zu schützen, hält RTL drauf, wenn er berichtet, welcher Gewalt er als Kind ausgesetzt war.
„Er singt um sein Leben“ ist das Etikett, das Joey daraufhin bekommt. Denn Etiketten brauchen sie schließlich, die „Superstars“ von morgen. Nach mehr als drei Stunden macht die Show dem normalen Programm Platz – doch nur damit die Telefonleitungen noch länger offen sind. Um halb eins schließlich meldet sich Marco Schreyl mit der „Volksabstimmung bei RTL“ zurück in den „Wahlsamstag“ – an übertrieben zur Schau getragenem Selbstbewusstsein mangelt es dem eher glücklosen Moderator jedenfalls nicht.
Jana aus Oberhausen ist raus – Luca darf bleiben
Es ist nach eins, als feststeht, wer zu den Top Ten gehört. Die blonde Lettin Jana aus Oberhausen, deren Eltern extra aus Lettland angereist waren, hat es ebenso wenig in die nächste Runde geschafft wie der exzentrische Christian Schöne und die gerade erst 16-Jährige Angel. Auch Ursula, Marcello und Dennis sind nicht mehr dabei.
Am nächsten Samstag treten damit wieder an: Vanessa, Jesse, Kristof, Thomas, Fabienne, Joey, Luca, Hamed, Daniele und Silvia. Das zumindest ist der aktuelle Stand, weitere „unerwartete“ Wendungen aber nicht ausgeschlossen.