Essen. . Das Erste drängt Dokumentarfilme in die zuschauerarme Sommerzeit. Arte will mehr Populäres. Kein Wunder, dass sich Dokumentarfilmer hart, aber unfair behandeln sehen.

Die Dokumentarfilmer sind empört. In der ARD wurde ihr Sendeplatz am Montagabend gegen Mitternacht verschoben, der Mittwochplatz gestrichen. Nur um Frank Plasberg und Kollegen ab Herbst dort plauschen zu lassen.

„Die Ankündigung, solche Programme vermehrt in den Sommer zu legen, ist erstens keine Neuigkeit, sondern längst Programm-Realität – und zweitens verhöhnt sie all jene, die von der ARD ein erkennbares, ernsthaftes und dauerhaftes Engagement für den Dokumentarfilm fordern“, schimpft Thomas Frickel, Vorsitzender des mit etwa 850 Mitgliedern größten Berufsverbands der Filmschaffenden. Dokumentarisches Fernsehen sei nicht „zweite Wahl“ und kein Lückenbüßer für die Saure-Gurken-Zeit, sondern es stehe im Kernbereich des öffentlich-rechtliche Programmauftrags. Den Dokumentarfilm aus der Versenkung zu holen, wenn das Publikum gerade im Biergarten sitze und die Talkshows aus gutem Grund Pause machten – und das auch noch als „Aufwertung“ zu verkaufen, offenbare den Zynismus der Programmverantwortlichen bei der ARD.

Doch der Ärger mit dem Ersten ist der Kampf an nur einer Front. Die zweite hat ausgerechnet Arte aufgemacht. Der Kulturkanal kündigte ein neues Sendeschema an. Und will laut Arbeitsgemeinschaft der Dokumentarfilmer die große 90-minütige Freitagabend-Dokumentation einschmelzen.

„Arte versucht seit zwei Jahren gefälliger zu werden“, sagt Frickel. Künstlerische Einzelstücke würden in den Hintergrund gerückt, Mini-Serien, die auf dem internationalen Markt leicht verkauft werden können, seien nun gefragt. „Arte verabschiedet sich von der Unverwechselbarkeit“, schimpft Frickel. Der deutsch-französische Sender ziehe sich aus dem künstlerischen Dokumentarfilm zurück. Und dann kommt Frickel auf den sozialen Aspekt. „Erst hat man die Leute zu Filmemachern ausgebildet, hat ihnen ein wunderbares Leben in der Medienbranche versprochen“ – und heute stehen viele vor dem beruflichen Aus, was wiederum zu „einer publizistischen Verarmung der inhaltlichen und kreativen Vielfalt“ führen kann. Das gehe seit 20 Jahren so, seit die Öffentlich-Rechtlichen in Konkurrenz zu den Privaten getreten seien.

Das normale Leben
reicht nicht mehr

Schielt man weiter auf die Quoten von RTL & Co., werden die jetzigen Einschnitte nur Anfänge sein. Wenn Autoren heute eine gut recherchierte, klassische Geschichte anbieten, bekommen Sender Angst. Denn in Zeiten geifernder „Scripted Reality“ – Realität nach Drehbuch – reicht normales Leben nicht mehr aus, um Zuschauer zu halten.