Essen. . Wieviele Talkshows verkraftet der menschliche Organismus innerhalb von einer Woche? Dieser Dschungelcamp-würdigen Prüfung kann man sich nun unterziehen.

Der allabendliche Debattierclub nimmt volle Fahrt auf. Und Anne Will hatte nach ihrer Strafversetzung vom Sonntag auf den Mittwoch irgendwie gleich den passenden Titel gewählt: „Wut im Bauch“.

Der späte Abend verläuft gleichwohl harmonisch, ja ein bisschen langweilig. Obwohl sich mit dem Prolo-Rapper Sido und CSU-Senior Edmund Stoiber zwei gegenübersitzen, denen man eine verbale Keilerei durchaus zutrauen würde. Sie bleiben weitgehend friedlich, jeder stammelt sich auf seine Weise durch die Sendung.

Um die Wut der Jugendlichen geht es, in London, Berlin oder sonstwo. Sternekoch Tim Raue darf einmal mehr in wohlfeiler Diktion preisgeben, was für ein schlimmer Junge er mal war, als die Bande den Familienersatz geben musste. Und dass man es mit Fleiß und Ehrgeiz immer noch weit bringen kann. Dafür gibt’s immer Applaus, das Publikum liebt Menschen, die sich so wunderbar wandeln. Stoiber hätte Raue gleich ins Wahlkampfteam geholt, wenn er noch irgendwo kandidierte.

Beifall für Bekanntes

Betroffenheitsexpertin Veronica Ferres hat gerade einen Film zum Thema gedreht, weil sie immer gerade einen Film zum Thema gedreht hat und findet Gott sei Dank mehrmals Zeit, darauf hinzuweisen. Von Sido habe sie ein Lied gehört, dass sie „unheimlich berührt hat“. Es ist nicht der Arschfick-Song. Und dass Gewaltspiele für Gewaltausbrüche nicht alleine verantworlich seien, sagt sie auch. Das hat zwar noch niemand behauptet, macht sich aber immer gut. Auch dafür gibt’s Beifall.

Es ist nicht die letzte bahnbrechende Weisheit, die aufgetischt wird. Kinder, die Gewalt erfahren haben, werden schneller gewalttätig, ja, wir müssen mehr bei der Prävention tun, und der linke Autor Christian Nürnberger rüffelt die Politik, weil sie bei der Bildung spart und den hemmungslosen Kapitalismus nicht unter Kontrolle kriegt. Kein Wunder, dass die Jugendlichen sauer werden.

Anne Will führt routiniert durch die 75 Minuten, richtig spannend scheint sie’s selbst nicht zu finden. Soll’s der Jauch doch übernächsten Sonntag besser machen, mag sie gedacht haben. Ohne Wut im Bauch freilich.