Berlin. .

Zurück aus der Sommerpause: Ab nächster Woche talkt Anne Will am späten Mittwochabend. Im Interview spricht sie über Jugendwahn, ihre neue Sendung – und ihre Haltung zur katholischen Kirche.

Die 45-Jährige musste ihren Sendeplatz am Sonntag an ARD-Neuzugang Günther Jauch abtreten. Julia Emmrich traf die erfolgreichste deutsche TV-Gastgeberin in ihrem Büro in Berlin-Mitte – und wunderte sich.

Sie haben ja noch lange Haare! Schneiden sich Frauen nicht die Haare ab, wenn sie sich getrennt haben und was Neues beginnen?

Anne Will: Nee, die Haare sind wie immer. Ich habe auch nicht plötzlich mit Sport angefangen oder so was. Sport gab’s schon vorher.

Also alles beim Alten?

Will: Ich lese jetzt anders Zeitung. Bisher habe ich mich vor allem auf den Politik- und Wirtschaftsteil konzentriert. Aber jetzt sind wir ja freier bei den Themen. Und auch mein Alltag verändert sich: Ich lebe jetzt wie die anderen, die in der Woche arbeiten und am Wochenende frei haben. Da freue ich mich drauf!

Sind sie wütend auf Jauch?

Will:Nein, überhaupt nicht. Ich muss mir da auch nichts schönreden. Ich habe da einen Haken dran gemacht. Außerdem mache ich meine Arbeit sehr gerne – und beim Thema Talk bin ich noch längst nicht am Ende angekommen.

Wenn Sie mittwochs starten, haben die ARD-Zuschauer schon drei Talkabende hinter sich. Sonntags Jauch, montags Plasberg, dienstags Maischberger. Da will man doch mal früh ins Bett, oder?

Will:Na, klar. 22.45 Uhr ist spät. Vor allem, wenn man am nächsten Morgen früh aufstehen muss. Aber darum geht es: Wir müssen die Zuschauer mit einer guten Sendung dazu überreden, dass sie wach bleiben. Ich übernehme dann auch gerne die Verantwortung für die Ringe unter den Augen.

Was ist anders am Mittwoch? Kommt jetzt Heidi Klum statt Heiner Geißler?

Will:Warum nicht Heidi Klum? Mir fiele dazu eine Menge ein - wie übrigens auch nach wie vor zu Heiner Geißler. Aber wir hatten ja auch am Sonntag in letzter Zeit schon weniger Politiker in der Sendung, und die Zuschauer mochten das.

Klingt nach bunter Talk-Wundertüte. Bei den Tagesthemen dagegen waren Sie mal berühmt für hartnäckige Kanzler-Quäl-Interviews...

Will:Wenn ich wollte, könnte ich das am Mittwoch jetzt wieder machen. Mein Motto heißt aber eigentlich: Politisch denken, persönlich fragen. Ich gebe zu, dass wir das am Sonntag nicht immer eingelöst haben. Aber man kann auch nicht über die Eurokrise reden und dann plötzlich fragen: Herr Dingsbums, warum haben Sie eigentlich die Schule abgebrochen? Am Mittwoch könnte ich das jetzt.

Anne Will schätzt den Stil von Christine Westermann und Götz Alsmann. Foto: Getty
Anne Will schätzt den Stil von Christine Westermann und Götz Alsmann. Foto: Getty

Was tun, wenn’s vor laufender Kamera mal stockt?

Will:Ich glaube, es gibt nichts Intensiveres im Fernsehen als ein Moment Stille, wenn jemand mal wirklich überlegt und nach Worten sucht. Wenn ein Gespräch stockt, würde ich die Pause bewusst aushalten.

Vorbilder?

Will:Ich bin aus dem Alter raus, in dem ich mich permanent an Vorbildern orientiere. Aber es gibt viele Kollegen, deren Stil ich sehr schätze. Ich sehe zum Beispiel Bettina Böttinger gern. Oder Christine Westermann und Götz Alsmann. Wie frei die beiden aufspielen, das gefällt mir.

Sandra Maischberger, Maybrit Illner, Marietta Slomka - das ist eine Frauengeneration, die gemeinsam älter wird - in einem Medium, das mit älteren Frauen hart umgeht.

Will:Wir vier haben uns vor ein paar Jahren mal versprochen, dass wir bis achtzig moderieren. Um es allen zu zeigen. Heute weiß ich gar nicht, ob ich das wirklich will. Mein Gott, bis achtzig! Aber wir bleiben natürlich bei unserem Plan. Man muss nicht faltenfrei sein, sondern Ausstrahlung haben. Und es gibt grandiose Frauen wie Christine Westermann, die haben uns den Weg schon längst freigekämpft.

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Mit Vorbild-Sein kennen sie sich ja aus: Die erste Frau in der Sportschau. Die erste prominente Medienfrau, die sich outet. Der Lebensbereich, in dem Sie überhaupt nicht vorbildlich sind?

Will:Mein persönliches Zeitmanagement lässt definitiv zu wünschen übrig. Ich glaube, wenn ich drei Kinder hätte und einen Haushalt und mittags und abends Essen machen müsste - ich würde komplett scheitern.

Frage an die Katholikin: Jetzt, wo der Sonntag frei ist...

Will:... nein, gehe ich nicht in die Messe. Das mache ich schon lange nicht mehr. Ich bin zwar noch in der Kirche, aber ich reibe mich daran. Der Umgang mit den Missbrauchsfällen, der Umgang mit Homosexualität und Frauen – da frage ich mich schon, ob das mein Verein ist. Aber ich bin damit noch nicht fertig. Und es ist auch nicht nur eine analytische Frage. Da schwingt viel Gefühl mit. Ich habe von zu Hause eine starke katholische Prägung.

Im September kommt der Papst. Hätten Sie ihn gerne in der Sendung?

Will:Ja, selbstverständlich!

Ihre Eröffnungsfrage?

Will:(Lange Pause) Ich würde gerne wissen, wie frei dieser Papst denken kann, der ja ein hoch gebildeter Mann ist. Ob das, was er als Oberhaupt der Kirche an Überzeugungen formuliert, tatsächlich seins ist.