Essen. . Mit der Wiederbelebung alter Sendeformate erzielen die TV-Sender gute Einschaltquoten. Zuletzt bewies das der NDR mit „Dalli Dalli“.
Lutz Marmor staunte. Und das passiert selten. Der 57-Jährige ist Jurist. Aber was den NDR-Intendanten dieser Tage an Rückmeldungen des Publikums erreichte, ließ ihn jubilieren: „So viele Glückwünsche und begeisterte Zuschriften, wie sie uns nach der Auftaktsendung von ,Dalli Dalli’ erreicht haben, bekommen wir nicht alle Tage.“
Damit nicht genug: Selbst die Kritik war milde gestimmt, und obendrein erreichte das norddeutsche Regionalprogramm mit 1,3 Millionen eine Reichweite, die üblicherweise kleinere Sender mit bundesweitem Anspruch schmückt, Sender wie Vox, Kabel 1 und RTL 2.
Zur Erinnerung: Der Entertainer Hans Rosenthal (1925-1987) schrieb mit der Show Geschichte. Er hatte das Format erfunden. 16 Jahre lang lief „Dalli Dalli“ im ZDF, bis kurz vor seinem Tod. Seit kurzem bietet Moderator Kai Pflaume mit der aufgelegten Show Retro pur: Der 44-Jährige übernahm das Konzept von TV-Legende Rosenthal fast eins zu eins, Das-war-Spitze-Luftsprung inklusive. Kein Einzelfall. Dass die Öffentlich-Rechtlichen Nostalgie bieten, überrascht wenig. ARD und ZDF arbeiten weithin nach Adenauers Maxime: keine Experimente. Aber neuerdings labt sich auch das Kommerzfernsehen an der vermeintlich guten, alten Zeit: So hat Sat.1 die „Wochenshow“ auferstehen lassen. Dasselbe Schicksal ereilt in Kürze die Show „Stars auf Eis“ mit halbprominenten Kringeldrehern.
„Dallas“ kommt wieder
Auch der amerikanische Markt erliegt dem Charme des Gestrigen. Die 60er-Serie „Hawaii Five-O“ wurde für die Digital-Ära generalüberholt, und im Intrigantenstadl von „Dallas“ streitet in Kürze die nächste Generation. Andererseits huldigen selbst neue Stoffe vergangenen Zeiten wie einst die Beatles mit „Yesterday“ – allen voran die preisgekrönte US-Serie „Mad Men“ um verrückte Werbeleute aus New York. Sie feiert die 60er, wo Optimismus und Lebensfreude, Gier und Waghalsigkeit kaum zu unterscheiden waren.
Aber was, bitte, macht die Vergangenheit für das Fernsehen sender- und länderübergreifend so attraktiv? Während das Durchschnittsalter der Gesellschaft und damit auch des TV-Publikums steigt, sinkt dessen Lust auf Neuerungen, zumal in unsicherer Zeit. Uli Spies vom Grimme-Institut in Marl sieht deshalb bei neuen Stoffen ein ungünstiges Verhältnis zwischen Kosten und Erfolgsaussichten: Nichts sei teurer als die Entwicklung und Produktion neuer Ideen und Formate, deren Erfolg vorab „immer schwerer zu prognostizieren ist“. Umgekehrt glaubt er, dass nur Bekanntes einen generationsübergreifenden Erfolg bringen kann: „Wenn Fernsehen – immer noch und generationsübergreifend – mit kalkulierbaren Erfolgen rechnen kann, dann im Kult-Fernsehen.“
Tatsächlich setzen selbst Sender wie ZDFneo, die erklärtermaßen ein Publikum unter 50 bespaßen wollen, auf die Macht der Tradition. Seit kurzem entführt der Sender seine Zuschauer in die unendlichen Weiten des Universums: Zur besten Sendezeit fliegt wieder das „Raumschiff Enterprise“. Das junge Publikum hat möglicherweise einen starken Grund, die US-Serie aus den 60ern noch immer als zukunftweisend zu empfinden. Sie spielt im 23. Jahrhundert.