Essen. . In einer Fernsehsendung des WDR haben die Eltern des getöteten Mirco aus Grefrath geschildert, wie sie mit dem Verschwinden und dem Tod ihres Sohnes umgehen. Hass auf den mutmaßlichen Mörder wollen sie nicht haben. Sie hoffen, ihm vergeben zu können.

Fünf Monate lang haben die Ermittler der Sonderkommission und die Eltern von Mirco nach dem verschwundenen Jungen gesucht. Jetzt, wo Mircos Schicksal aufgeklärt und der mutmaßliche Täter gefunden ist, blicken die Beteiligten zurück – und erzählen, wie sie heute mit den schrecklichen Ereignissen umgehen. Der WDR begleitete die Eltern Sandra und Reinhard Schlitter und Hauptkommissar Ingo Thiel in einer „Hier und Heute“-Spezialsendung während der ersten Prozesstage.

Sandra und Reinhard Schlitter sitzen an ihrem Gartentisch. Während sie davon erzählen, wie ihr 10-jähriger Sohn eines Abends nicht mehr nach Hause kam, nippen sie an bunten Wassergläsern. „Man hat die Hoffnung auch nie aufgegeben“, erinnert sich Mircos Mutter an die Monate der Ungewissheit.

Beide wirken gefasst, aber auch unbeteiligt. So, als betrachteten sie die Geschehnisse von außen, wie ein schlechtes Theaterstück. Nur selten sagen die beiden „ich“ oder „wir“, immer ist nur von „man“ die Rede. Der Tag, an dem die Leiche ihres Sohnes gefunden wurde? „Das war auch eine Erleichterung“, sagt Sandra Schlitter. „Da konnte man beginnen, abzuschließen.“

Ein Abschluss ist der Beginn des Prozesses gegen Olaf H. auch für Hauptkommissar Ingo Thiel. Der Leiter der 65-köpfigen „Soko Mirco“ hat sein Versprechen Mircos Eltern gegenüber gehalten und den Fall aufgeklärt. Jetzt steht Thiel an der Landstraße, an der noch am Wochenende seines Verschwindens Mircos Fahrrad gefunden wurde, raucht und blickt zurück auf die schwierigen Ermittlungen. 9000 Hinweisen seien er und seine Mitarbeiter nachgegangen. 80-Stunden-Wochen waren normal. Ein Zustand, der nicht spurlos an einem vorbeigeht, so Thiel: „Da stehen Sie morgens mit auf und gehen abends mit ins Bett.“

„Der Täter ist mir egal“

Wenn er dem mutmaßlich Mörder seines Sohnes erstmals im Gerichtssaal gegenübersitze, so sagt Reinhard Schlitter, wisse er nicht genau, was er ihm sagen solle: „Man würde schon fragen, weshalb?“ Hass auf den Mann, der ihren Sohn offenbar erst missbraucht und dann ermordet hat, wollen die beiden aber nicht haben. Man könne, so Mircos Vater, so eine Tat nicht entschuldigen. Und doch, fügt seine Frau hinzu, hoffen beiden, Olaf H. irgendwann vergeben zu können. Auch Ingo Thiels Gefühle gegenüber dem mutmaßlichen Mörder sind sachlich: „Der Täter ist mir egal. Ich habe keinen Hass auf ihn. Das ist ein Feigling.“

Was bleibt von den fünf Monaten des Bangens und der schrecklichen Erkenntnis, dass Mirco umgebracht wurde, ist Stille. Mirco sei so ein aktiver Junge gewesen, erinnert sich Sandra Schlitter, das fehle jetzt einfach. Ruhig geworden ist es auch in den Büros der Sonderkommission. Jetzt komme langsam die Erschöpfung, sagt ein Ermittler. Was bleibt, sind aber auch Freundschaften zwischen den Polizisten und der Familie.

Bei Ingo Thiels Hochzeit im Juni feierten die Schlitters gemeinsam mit den Ermittlern, die ihren Sohn gefunden haben. „Die Menschen brauchen diesen Spagat“, meint einer der Beamten: „Die intensive Arbeit auf der einen Seite und ausgelassene Lebensfreude auf der anderen.“