Essen. Der 61-jährige Schauspieler Edgar Selge hat, gemeinsam mit Michaela May, den Münchner „Polizeiruf 110” geprägt. Im Gespräch mit Jürgen Overkott zog der gebürtige Sauerländer kurz vor der Ausstrahlung der letzten Folge Bilanz.
Die letzte Folge des Münchner Polizeirufs heißt „Endspiel“. Haben Sie eine Träne im Knopfloch?
Edgar Selge: Nein. Vielmehr herrscht bei mir Dankbarkeit vor, große Dankbarkeit für diese wunderbaren zehn Jahre. Ich muss vielen danken, von der Redaktion über Produktionsfirmen bis hin zu Michaela May. Natürlich fällt mir der Abschied schwer, das aber ich glaube, dass die Entscheidung die richtige war.
Sind die Geschichten von Kommissar Tauber zu Ende erzählt?
Edgar Selge: Ich drücke es so aus: Gerade zum Schluss hin gab es ganz tolle Folgen. Es ist gut aufzuhören, solange die Folgen noch so ansehnlich sind. Dass ich so etwas wie den „Polizeiruf“ nicht mein ganzes Leben lang mache, finde ich selbstverständlich.. Wenn ich glaube, meine Rolle wird zu einer Institution in meinem Leben und zu einer Art Altersvorsorge, dann muss ich aufhören.
Sie lieben das Risiko, die Herausforderung.
Edgar Selge: Ja, das ist richtig.
Ich sage mal ketzerisch: Wenn man so viele Preise gesammelt hat wie Sie, kann man leichten Herzens aus einer erfolgreichen Fernsehserie aussteigen.
Edgar Selge: Da haben Sie Recht: Ich habe genug Arbeit. Da kann man leichter Abschied nehmen, als wenn man Angst haben muss, nicht mehr beschäftigt zu werden.
Welches Verhältnis haben Sie im Laufe der Jahre zu Tauber entwickelt – und vor allem wie hat es sich verändert?
Edgar Selge: Das Verhältnis hat sich in der Tat verändert –auch weil die Redakteurin Cornelia Ackers dankenswerterweise nicht darauf bestanden hat, dass Tauber eine unveränderliche Figur bleiben muss. Im Gegenteil: Sie hatte Gefallen daran, mit Tauber immer wieder Neues ausprobieren. Auf diese Weise haben wir mit ihm emotional einen ganz netten Wendekreis abgeschritten, von absolut schroff bis weich. Letzten Endes ist Tauber eine romantische Figur, die mit Frau Obermaier immer einen Gegenpart gebraucht hat, der mit beiden Beinen im Leben steht.
Wie lebendig ist die Figur Tauber für Sie geworden? Haben Sie sich mit ihm mal unterhalten?
Edgar Selge: (denkt nach) Eine interessante Frage. Ja, es könnte sein, dass da eine direkte, schroffe, unfreundliche Figur in mir entstanden ist, die mich auch hin und wieder im Leben begleitet hat – und von der ich mich jetzt am besten trenne. Ich bin selbst ein eher ruhiger, verbindlicher Mensch, und ich konnte mir mit dieser einarmigen Figur etwas erlauben, was ich mich beidarmig vermutlich gar nicht getraut hätte.
Eine gewisse Schroffheit wird den Menschen Ihrer Heimat nachgesagt: dem Sauerland. Gibt es Vorbilder für Tauber?
Edgar Selge: (lacht) Ich habe einen Deutschlehrer gehabt, der einarmig war. An den habe ich oft gedacht – das war ein toller Kerl. Er konnte sehr unverblümt und direkt sein. Er wurde damals sogar suspendiert, weil er sehr mit den 68ern sympathisiert hat.
Sie haben mehr als zehn Jahre mit Michaela May vertrauensvoll zusammengearbeitet. War Ihre Frau je eifersüchtig?
Edgar Selge: Fragen Sie meine Frau! Nein, ich glaube nicht, dass sie Grund hatte.
Das Fernsehen zeigt normalerweise unversehrte Menschen. War es schwierig, eine Figur wie Tauber durchzusetzen?
Edgar Selge: Nein, gar nicht. Die Idee kam von der Redaktion. Tauber ist eine Figur, die aufmerksam macht – und es ist eine interessante Vorstellung, dass ausgerechnet die Figur des Kommissars, die bei Krimis für Stärke und Schutz steht, durch den Verlust eines Armes selbst schutzlos ist.
Wie haben Leute mit Behinderung auf Tauber reagiert?
Edgar Selge: Dankbar, sehr erfreut, vor allem weil Tauber auf sehr unsentimentale Weise mit seiner Behinderung umgeht.
Ein Typ, der Ähnlichkeiten mit Tauber aufweist, ist Dr. House. Sehen Sie ihn als Bruder im Geiste?
Edgar Selge: Ja. Der House ist eine der wenigen Serienfiguren, die ich mir im Fernsehen angucke.
- Sonntag, 8. November, ARD, 20.15 Uhr