München. .

Hinter dem „Tatort“ steckt ein kluger Kopf: der ehemalige WDR-Filmchef Günter Rohrbach. Im Gespräch mit Jürgen Overkott plaudert der 82-jährige Filmproduzent aus dem Nähkästchen.

Vor einer Woche feierte die ARD-Krimireihe „Tatort“ ein bemerkenswertes Jubiläum: die 800. Folge. Da-hinter steckt ein kluger Kopf: der ehemalige WDR-Fernsehchef Günter Rohrbach (82), der später mit dem „Boot“ Kino-Geschichte schrieb. Jürgen Overkott sprach mit ihm.

Gunther Witte hat den „Tatort“ erfunden. Welche Rolle spielten Sie bei der Einführung der erfolgreichsten deutschen Krimi-Reihe?

Günter Rohrbach:Ich war beim WDR Film-Chef, und Gunther Witte war einer meiner Redakteure. Ich muss eines vorausschicken: Die ARD hatte damals gegenüber dem ZDF einen strategischen Nachteil: Sie ist ein Zusammenschluss von Einzelsendern, die jeweils ihre eigenen Programme machen, die sie dem Ersten zuliefern. Aber die Anteile der Zulieferung waren quotiert. Der WDR, beispielsweise, lieferte 25 Prozent der Sendung, und das hatte zur Folge, dass der WDR keine längeren Serien produzieren konnte. Und genau darauf hat das ZDF von Anfang an mit großem Erfolg gesetzt.

Bei uns gab es deshalb die Überlegung: Wie können wir dem ZDF etwas entgegensetzen? Und da haben wir beim WDR mit Witte und (Peter) Merthesheimer eine kleine Klausur ge-macht, bei einem langen Wald-Spaziergang. Wir kamen zu dem Ergebnis: Wir wollen eine Krimiserie, und wir wollen eine Familienserie. Die Familienserie sollte unter Arbeitern spielen, und die Krimiserie sollte ein Gegenstück zum ZDF sein (der „Kommissar“ setzte Maßstäbe; Red.). Witte hätte zwar lieber die Familienserie gemacht, aber ich habe ihm gesagt: Kümmern Sie sich mal um den Krimi.

Welcher Kommissar hat bei Ihnen die tiefsten Spuren hinterlassen?

Rohrbach:Wir hatten anfangs beim WDR Zollfahnder Kressin (Sieghardt Rupp; Red.), das war eine spezifische Sache, dann kam Haferkamp (Hans-Jörg Felmy; Red.). Wir haben die Produktion der Bavaria übergeben, damit die Krimis in einer Hand blieben, und die Filme konnten sich sehen lassen.

Und dann kam der König aller Könige: Schimanski (Götz George; Red.). Der war erst sehr umstritten. Aber: Gerade weil er umstritten war, wurde er letztlich zur Figur mit der größten Prägnanz. Die größte Überraschung für uns war: Wir haben mit Schimanski die jungen Leute gekriegt. Er hatte allerdings ein so breites Spektrum, dass er auch das ältere Publikum erreicht hat.

Wenn Sie den „Tatort“ heute sehen – gefällt er Ihnen?

Rohrbach:Ich muss Ihnen ein Geständnis machen. Seit ich die „Tatorte“ nicht mehr selber produziere, sehe ich keine mehr. Ich war 17 Jahre lang beim WDR und 15 Jahre lang bei der Bavaria, und als meine Tätigkeit als Fernsehproduzent zu Ende war, gab es eine Zäsur in meinem Privatleben: Ich sehe seither nur noch sehr, sehr wenige Filme im Fernsehen, sehe aber sehr viele Filme im Kino.

Ich wollte etwas Neues. Ich bin ein freier Produzent. Ich habe keine Firma mehr, ich wollte keine Buchhaltung mehr. Ich überlege mir also Themen und Stoffe, suche Regisseure und Schauspieler dafür, und dann biete ich das Paket einem Unternehmen an, aktuell „Hotel Lux“ mit Leander Haußmann und Jürgen Vogel. Da habe ich für den „Tatort“ einfach keine Zeit mehr.