Essen. . Es könnte der Beginn einer neuen Epoche in der Geschichte des Fernsehens sein: Wie es heißt, will die Videoplattform YouTube künftig über 20 Kanäle eigene hochwertige Inhalte produzieren. Von Sport bis Kultur.

Auf den ersten Blick klingt die Meldung des Wall Street Journals recht harmlos. Die Videoplattform YouTube, steht da, wolle künftig eigene hochwertige Inhalte produzieren. Wer allerdings näher hinsieht, der stellt fest: Das könnte der Beginn einer neuen Epoche in der Geschichte des Fernsehens sein.

Fernsehen via Internet gibt es schon lange. Vor allem junge Leute schauen längst öfter am PC als am klassischen TV-Gerät. Dort können sie ihre Lieblingssendungen gucken, wann sie wollen und nicht, wenn der Sender sie gerade im Programm hat. Doch auch ihre Eltern kommen langsam auf den Geschmack. Immer mehr TV-Geräte mit integriertem Online-Zugang und Set-Top-Boxen bringen die Inhalte aus dem Netz in guter Qualität auch auf die großen Bildschirme im Wohnzimmer.

Die Branche hat längst reagiert, auch in Deutschland. Die meisten großen Sender bieten eine Online-Mediathek an, in der sich Filme, Serien und Reportagen einige Tage nach ihrer TV-Ausstrahlung abrufen lassen.Und wer bereit ist, für den TV-Genuss auf Internet-Portalen wie Maxdome oder iTunes Geld zu zahlen, der kann aus einer stetig wachsenden Zahl von Sendungen wählen, die sich mit wenigen Mausklicks direkt auf den heimischen PC, das Tablet für unterwegs oder den Fernseher herunterladen lassen.

Verhandlungen mit Hollywood-Agenten

Auch YouTube-Mutter Google versucht schon seit einiger Zeit, in den Wohnzimmern Fuß zu fassen. Doch „Google-TV“ ist bisher eines der wenigen Produkte des Internet-Giganten, das sich bisher nicht durchsetzen konnte. Weil weltweit viele große TV-Sender sich weigern, Google Lizenzen für ihr Programm zu erteilen. Sie fürchten, Werbekunden zu verlieren, wenn sich dort ein Spot im Umfeld der neuen CSI-Folge oder einer Casting-Show zu einem Bruchteil des Preises schalten lässt, den ein klassischer Sender dafür verlangt.

So schnell gibt Google nicht auf. Laut Wall Street Journal plant Tochter YouTube damit zunächst 20 Kanäle, vom Sport bis zur Kultur, die fünf bis zehn Stunden pro Woche professionell produzierte Unterhaltung bieten sollen. YouTube verhandele gerade mit Hollywood-Agenten, um die nötigen Inhalte zu beschaffen, heißt es. Ein YouTube-Sprecher wollte den Bericht nicht bestätigen, verwies aber auf das „unglaubliche Wachstum“ der Videoplattform.

Für die etablierten TV Sender jedenfalls ist es ein Angriff auf ihr ureigenstes Geschäftsfeld. Bislang mussten Internet-TV-Anbieter die Verleihrechte für Serien und Filme bei ihnen kaufen. Nun tritt YouTube selbst als Produzent auf – und erwartet keine B-Ware. Allein zum Start nimmt die Firma 100 Millionen Dollar in die Hand. Vielleicht nicht aus der Portokasse aber bei einem Gewinn der Mutterfirma von 2,17 Milliarden Dollar allein im letzten Quartal 2010 auch kein Grund zur Kreditaufnahme.

Was für prominente Namen man für Geld bekommen kann, zeigt das Bespiel der US-Onlinevideothek Netflix, die jüngst angekündigt hat, eine eigene TV-Serie produzieren zu lassen. Ein Politdrama soll es werden, in Szene gesetzt von „Social Network“-Regisseur David Fincher.

Eine Schlacht um die Wohnzimmer

Doch nicht nur die prall gefüllten Konten des Suchmaschinenbetreibers bereiten TV-Managern Sorgen, sondern auch die Nutzerzahl von YouTube. Mehr als 110 Millionen Menschen klicken dort regelmäßig Videos an. Darunter auch viele Deutsche. Etablierte Programmmacher zwischen Bodensee und Alpen dürften sich deshalb kaum weniger Sorgen machen als ihre US-Kollegen. Ganz im Gegenteil: In Deutschland startet YouTube eine Zusammenarbeit mit dem TV-Produzenten Endemol. Erstes Projekt ist eine Castingshow mit dem Titel „Secret Talents“. Zu sehen: nur auf YouTube.

„Das ist“, hat der US-Investmentbanker und Internetspezialist Kevin Covert erkannt, „eine Schlacht um die Wohnzimmer“. Und sie hat gerade erst begonnen.