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Das Leben der 13-jährigen Nessi ist ohnehin schon schwer genug. Ihre Mutter trinkt und überlässt das Kind sich selbst. Von ihren Mitschülern wird Nessi gemobbt. Eines Morgens beobachtet sie einen Mord. Die Angst vor dem Täter lässt sie beharrlich schweigen.

Auch das ist München: trinkende Mütter, die ihre Kinder verwahrlosen lassen, graue Menschenschlangen, die vor einer Essensausgabe warten, ein trostloser Park in einer Hochhaussiedlung. Für ihre Ermittlungen begeben sich die Kommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr im Tatort „Jagdzeit“ an den Rand der Münchner Schickeria. Vor ihnen eröffnen sich gesellschaftliche Abgründe.

Gleichgültigkeit prägt den ganzen Tatort

Die Jagdzeit hat begonnen, wer etwas auf sich hält und sich in den entsprechenden Kreisen bewegt, schultert das Gewehr und bläst kräftig ins Jagdhorn. Auch der 55-jährige Gerd Zach gehörte einmal zur gehobenen Gesellschaft. Dass er das nicht mehr tut, seit er seinen Job bei der Lebensmittelfirma „Konserven-Koller“ verloren hat, weiß nicht einmal seine Ehefrau. Als sie, die deutlich jünger ist als er, eines Morgens zur Witwe wird, schnäuzt sie sich betulich und kurz ins Spitzentaschentuch. Die Nachricht von Zachs Tod, der in einem grauen Münchner Vorort erschossen an einer Tankstelle aufgefunden wurde, scheint sie nicht allzu sehr mitzunehmen.

Leider prägt diese Gleichgültigkeit den ganzen Tatort. Vielleicht liegt es an den Ermittlern Batic und Leitmayr, die immer stärker an ein altes Ehepaar erinnern. Und es macht eben keinen Spaß einem alten Ehepaar 90 Minuten lang zuzusehen. Ein ständig wiederholtes Radioquiz, in dem bayerische Dialekte zugeordnet werden müssen, scheint die beiden mehr zu bewegen, als ihr aktueller Fall. Mag sein, dass Leitmayr einen Moment lang Vatergefühle für die 13-jährige Nessi entwickelt, das legt sich aber relativ schnell wieder.

Nessis Leben ist grau und hart. Zusammen mit ihrer Mutter, einer Hartz-IV-Empfängerin, wohnt sie in einer tristen Hochhaussiedlung. Ihre Mutter, die 32-jährige Tini Bürger, leidet an Depressionen und sieht den ganzen Tag fern. Dass ihre Tochter immer noch mit einem Kindertornister zur Schule geht und von den Mitschülern gemobbt wird, nimmt sie zur Kenntnis, hat aber nicht die Kraft, etwas daran zu ändern. Um im Schulalltag einigermaßen zu bestehen und sich und ihre Mutter über die Runden zu bringen, verkauft Nessi Pillen, die sie ihrer Mutter geklaut hat, an ältere Mitschüler. Für fünf Euro am Tag kümmert sie sich außerdem um eine bettlägerige alte Frau.

Kommissare und Zuschauer fischen im Trüben

Ausgerechnet dieses Kind wird an jenem Morgen Zeuge des Mordes an Gerd Zach. Aus Angst weigert sie sich aber, eine Täterbeschreibung abzugeben. Stattdessen nimmt sie die Ausweglosigkeit ihrer Lage an und zieht sich immer mehr in sich zurück. Batic und Leitmayr sind ratlos. Es gibt viele mögliche Täter, viele Motive. Der Tote, der ja selbst heimlich arbeitslos war, hat sich um die Menschen in der Siedlung „gekümmert“. Unter der Hand vertrauten sie ihm ihre Ersparnisse an, damit er sie verwalte. Aus Verzweiflung steckte er das Geld aber selbst ein. Viele der Geprellten hätten also ein Mordmotiv. Aber was ist mit der kaltherzigen und gelangweilten Ehefrau, die auch noch einen Liebhaber hat? Wäre ihr nicht daran gelegen, den Mann loszuwerden?

Wie die Kommissare, so fischen auch die Zuschauer im Trüben. Über dem gesamten Tatort hängt eine uninspirierte Trägheit. Der Zugang zu den Figuren bleibt versperrt, man mag mit keinem dieser Menschen so richtig mitfühlen. Und auch dem Titel „Jagdzeit“ wird er nicht gerecht. Zwar erliegt Zach einem Schuss aus seinem Jagdgewehr, sonst bleibt diese Thematik aber weitgehend unangetastet. Für eine Milieustudie in der so genannten Unterschicht eignet sich die Folge leider auch nicht recht. Zu abgedroschen sind die Klischees, zu bekannt der Blickwinkel, aus dem sie betrachtet wird.