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„Schuld und Sühne“ heißt Schimanskis Jubiläumsfolge, die Sonntag, 20.15 Uhr, in der ARD läuft. Die ruhig erzählte Korruptionsballade bietet starkes Jungs-Fernsehen. Die Ensemble-Leistung macht einen Schnitzer des Drehbuchs vergessen.
Der jüngste Schimi-Krimi führt den Helden wieder zurück zu seinen Wurzeln: Horst Schimanski (Götz George) will wissen, wer hinter dem Tod eines jungen Polizisten steht. Er kannte Oliver (Jan Pohl) gut; er war der Sohn seiner Stamm-Wirtin (Ulrike Kriener). Schnell ist Schimanski wieder im Kreis seiner alten Kollegen.
Und es stellt sich heraus: Der Fall ist so schmutzig wie die Duisburger Kulisse, vor der er spielt. Es geht um Korruption innerhalb der Polizei, um Korpsgeist, bei der Mafia firmiert er als Omertà, die Mauer des Schweigens. Schimanski, der jung gebliebene alte Moralist, will „Schuld und Sühne“.
Zu Beginn wirkt Schimanski zerknittert, desillusioniert. Er sitzt am Boden, mit der obligatorischen Schimi-Platzwunde am Kopf. Regisseur Thomas Jauch nimmt dieses Bild am Schluss des Falls wieder auf, aber damit endet die Geschichte nicht. Schimanski lässt sich nicht ausknocken, er ist ein Steher mit Nehmerqualitäten.
30 Jahre Schimanski
Körpereinsatz, bis der Arzt kommt
Und er nimmt, muss nehmen. Eine ordentliche Prügelei unter Männern gehört zu Schimanski wie die Pommes zur Currywurst. Die 72 Jahre sind Götz George nicht anzumerken. Er war immer ein Schauspieler, der nicht nur mit heißem Herzen spielte, sondern auch mit vollem Körpereinsatz – in den ersten Schimanski-Episoden, damals noch innerhalb der „Tatort“-Reihe, zuweilen buchstäblich, bis der Arzt kam.
Aber: Götz George legt Wert darauf, dass seine Figur viel weichere Züge offenbart als beim Start der Krimis aus Duisburg. Schimanski altert in Würde und bewahrt seine Würde im Alter. Er wird weiser – und gefühlvoller. Als er mit Wirtin Sonja über den Tod ihres Sohnes spricht, nuschelt er ganz leise, und tapsig berührt er sie, um sie zu trösten. Der einst Unnahbare sucht Nähe, will Nähe geben.
Er ist der große Junge geblieben
Andererseits ist Schimanski der große Junge geblieben, ein Draufgänger, der, ohne es zu wollen, Dauerfreundin Marie-Claire (Denise Virieux) in Gefahr bringt. Sie wird durch den korrupten Bullen Patzak (Hannes Jaenicke) sexuell belästigt. Mehr noch: Als Marie-Claire und Schimanski mit ihrem Auto unterwegs sind, wird das Fahrzeug gerammt. Ins Krankenhaus, natürlich, kommt Marie-Claire, nicht Schimanski. Dass seine unerbetenen Ermittlungen bei der Polizei auch seine Partnerin in Gefahr bringen – daran hat das schlichte Gemüt Schimanski nicht gedacht.
An eines haben Regisseur Thomas Jauch und Drehbuch-Autor Jürgen Werner nicht gedacht: So ehrenwert und mutig der Ansatz ist, Schimanski und seinen Ex-Kollegen Hänschen (Chiem van Houweninge) gegen ihre ehemaligen Kollegen ermitteln zu lassen, so unglaubwürdig ist, dass sich beide immer wieder in deren Amtsstuben in Ermittlungsakten blättern dürfen. Im wirklichen Leben hätten sie vermutlich umgehend Hausverbot.
Ruhig erzählte Krimi-Ballade
Wer sich an derlei Feinheiten nicht stört, sieht eine ruhig erzählte Krimi-Ballade mit passenden Molltönen, die einerseits Schimanski in Szene setzt, andererseits aber von einer sehr ehrenwerten Leistung des ganzen Ensembles lebt.
Das Ende bleibt passenderweise offen. Allzu glatt soll die Rechnung bei Schimanski nicht aufgehen, und das ist gut so. Gut wäre es auch, wenn es mit dieser Form des Jungs-Fernsehen weiterginge. Götz George hat ganz offensichtlich Lust dazu. Sie ist ihm in „Schuld und Sühne“ anzusehen.