Berlin. . „Doktor Guttenberg – alles nur geklaut?“ fragte Anne Will ihre Gäste beim Polit-Talk in der ARD am Sonntag. Der Verteidigungsminister selbst fehlte in der Sendung. Die Gäste wussten aber auch ohne ihn, welche Fehler er gemacht hat.
In der Sendung bildeten sich zwei Pole. Der erste Pol: Guttenbergs bewusste Täuschung sei so massiv, dass ihm der Doktortitel aberkannt werden, und er zurücktreten müsse. Prof. Dr. Dr. Karl Lauterbach von der SPD und Stern-Redakteur Hans-Ulrich Jörges waren sich sicher: „Das ist ein richtiger Skandal.“
Der zweite Pol: Zu Guttenberg habe Fehler wie jeder Mensch und die Medienhetze gegen ihn sei unfair. Sprich: Die Medien trieben mal wieder eine Sau durchs Dorf. Dabei gebe es so viele wichtigere Dinge, über die man berichten müsse. Zu seinen stärksten Verteidigern gehörte Monika Hohlmeier von der CSU. TV-Regisseur Dr. Dieter Wedel ging es mehr um die Politikerhetze im Allgemeinen.
„Guttenberg hat Pech, dass es von so großem Ausmaß ist“
Alice Schwarzer nahm die Rolle der sachlichen Betrachterin ein. Sie versuchte eher zu schlichten statt zu hetzen: „Sie haben beide recht, es ist kein Zufall, dass die Opposition etwas bei zu Guttenberg gefunden hat. Aber er hat großes Pech, dass es etwas von so großem Ausmaß ist.“
Krisen um sein Image hat der Minister nun schon viele bewältigt. Doch dass die Plagiatsvorwürfe die bisher größte Bedrohung für Guttenberg sind, erkannte Jörges: „ Mit der Figur zu Guttenberg verbanden die Deutschen bisher Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit. Doch mit seiner Täuschung ist er nur noch eine leere Hülle ohne Substanz.“
„Ein Volltreffer also für die Opposition“, analysierte Schwarzer. Natürlich lag das Argument auf der Hand: „Hier wurde vorsätzlich gegraben, bis beim beliebten zu Guttenberg etwas gefunden wurde.“ Und dass es Gravierendes sei, so argumentierten vehement Jörges und Lauterbach. Jetzt ist er im Visier der Öffentlichkeit, und deswegen tat er den Herren keineswegs leid. „Ein Student wird für weitaus geringere Verstöße exmatrikuliert“, so Lauterbach. „Wenn man das bei Guttenberg durchgehen lässt, braucht man den Doktortitel nicht mehr ernst nehmen.“
„Wir basteln uns unseren nächsten Bundeskanzler“
Exerziert wurde nun eben auch die Hetze der Medien gegen Promis. Die Gäste und auch Anne Will schilderten sie bildhaft, am Beispiel Gottschalks, der erst umjubelt, dann zerrissen und nach seinem Rücktritt wieder beweint werde, zeigte die Moderatorin das Wesen vieler Journalisten auf. Ins Bilde rückte Jörges jedoch die Rolle der größten Boulevardzeitung Deutschlands: „Nach dem Motto, wir basteln uns unseren nächsten Bundeskanzler, hat Guttenberg die BILD-Zeitung auf seiner Seite.“
Wie nicht anders zu erwarten, stand dann auch bald das Wort Rücktritt von Guttenberg im Raum. Auch wenn erst gegen Ende und nicht in wie zu erwarten gewesen wäre als Hauptdiskussionspunkt. Jörges: „Wer die Fußnote seiner gefälschten Doktorarbeit zur Schlagzeile macht, muss zurücktreten.“
„Er behält den Titel, wenn Vorsätzlichkeit nicht nachweisbar ist“
Doch wer sich ob der klaren Worte der schon die Hände rieb, Guttenberg sei ein gefallener Held, wurde durch den angekündigten Gast im Publikum enttäuscht. Eine-Million-Gewinner beim TV-Quiz „Wer wird Millionär“ und Professor für mittelalterliche Geschichte Eckhard Freise machte zwar deutlich: „Ich bin stinksauer, wenn man mich Täuschungen bescheißt“, verwies aber auf die Studienordnung: „Wenn man ihm nicht nachweisen kann, dass seine Täuschung vorsätzlich war, behält er den Doktortitel.“ Manch einer sah zu diesem Zeitpunkt seine Felle schwimmen. Zumal Anne Will die kluge Frage stellte, ob es sich die Uni Bayreuth überhaupt leisten könne, den Fehler einzugestehen: Guttenbergs Arbeit ging fälschlicherweise durch.
Die Erkenntnisse des Abends: Einen Doktortitel kann man nicht selbst ablegen. Und zu Guttenberg hat viele Faktoren auf seiner Seite: Die Angst der Uni Bayreuth vor Rufschädigung, einen großen Teil der Deutschen, die sich ihren Helden nicht wieder wegnehmen lassen möchten, eine Studienordnung, die besagt, dass Absicht von Täuschung nachgewiesen werden muss und, zu guter Letzt, die BILD. Wenn diese Einschätzungen der Gäste stimmen, hat Guttenberg gute Karten. Wenn es so läuft wie oft mit den Helden der Gesellschaft, brechen schwere Zeiten an für den Verteidigungsminister.