Köln. .

Freddy Sahin-Scholl kann Sopran und Bariton singen und ist damit das RTL Supertalent 2010. Der Sender hat zum Abschluss der Staffel noch einmal geklotzt und gezeigt, dass die Show zum Opulentesten gehört, was das deutsche TV zu bieten hat.

Er kann mit sich selbst im Duett singen. Denn nach der Pubertät blieb seine Kinderstimme erhalten, so dass er jetzt abwechselnd Bariton oder Sopran schmettern kann. Eine Laune der Natur, die Freddy Sahin-Scholl in der Nacht zu Sonntag 100.000 Euro reicher gemacht hat. Mindestens. Denn der 57-Jährige aus Karlsruhe wurde mit seinem selbstgeschriebenen Song „Carpe Diem“ das RTL Supertalent 2010.

Immerhin, auf Tiere haben sie verzichtet in diesem Jahr bei der Supertalent-Suche. Vielleicht weil sie gelernt haben aus dem Vorjahr, als Yvo Antoni mit seiner Hündin Primadonna gewann. Und mit der konnte selbst ein Dieter Bohlen beim besten Willen keine Platte aufnehmen.

Sänger und Sängerinnen, Tänzer, Müllmusiker, Pianist, Allesschlucker und Sandmalerin

Dafür gab es 2010 gleich sechs Sänger oder Sängerinnen im Finale, dazu zwei Tänzer, einer davon gehörlos, zwei „Müllmusiker“, einen Pianisten, einen Allesschlucker und eine Sandmalerin. Bunt war sie also, die Mischung an diesem Samstagabend. Schade nur, dass man vieles davon schon einmal in den Castings oder den Halbfinals gesehen, beziehungsweise gehört hatte.

Der Sender selbst dagegen hat zum Abschluss noch einmal geklotzt und dabei gezeigt, dass die Show derzeit zum Opulentesten gehört, was das deutsche TV zu bieten hat. Mag der „Einflug“ der Jury, die im überdimensionalen Schlitten von der Hallendecke schwebte, auch nicht jedermanns Geschmack gewesen sein, die aufwändigen Bühneninszenierungen, das Licht und die Spezialeffekte sind derzeit konkurrenzlos. Nur der unsäglich schwafelnde und anscheinend unter chronischer Lächel-Lähmung leidende Marco Schreyl konnte sich diesem Niveau wieder einmal zu keiner Zeit anpassen.

Silvie van der Vaart war hingerissen vom achtjährigen Michael-Jackson-Klon

Warum am Ende Freddy Sahin Scholl die Nase vorn hatte, das hatte viele Gründe – abgesehen von seinem eigenen Talent. Der erst acht Jahre alte Daniele Domizio, der als Michael-Jackson-Klon der Auftakt machte, er war süß. Aber süß alleine ist offenbar zu wenig, auch wenn Sylvie van der Vaart, die während des Föhnens ihrer Haare vor der Show anscheinend mit einer Steckdose in Berührung gekommen war, einmal mehr ganz hingerissen war.

Ramona Fottner, aus Geisenfeld in Bayern, die folgte, sang traumhaft. Wahrscheinlich fehlte es ihr einfach an einer Story, fehlte es an dem, was mittlerweile gerne der Paul Potts-Effekt genannt wird. Keine schwere Jugend, keine ernste Erkrankung, das reicht nicht in einer Show, in der persönliche Schicksale manchmal mehr zählen als Können. Ähnlich dürfte es bei Ruddy Estevez gewesen sein. Der 38-jährige Masseur und Wellnesstherapeut aus Hamburg hatte schon im Halbfinale die Hilfe der Jury benötigt, um ins Finale einzuziehen.

Gehörloser Tanzlehrer kam unter die besten drei

Michael Holderbusch konnte so eine Geschichte bieten. Hartz IV-Empfänger ist er, wurde nach eigenen Angaben als Kind von seinem Vater misshandelt, sieht aus wie ein Mönch aus einem Mittelalterfilm und singt wie Joe Cocker nach durchzechter Nacht. Vielleicht hat er sich zu sehr darauf verlassen, als er im Finale noch einmal „You Are So Beautiful“ gesungen hat. Der Überraschungseffekt jedenfalls war weg, selbst wenn es für einen Platz unter den besten Drei reichte. Auch bei den Bubble Beatz aus der Schweiz, die mit Gegenständen aus dem Hausmüll Musik machen und Sandmalerin Natalya Netselya war man nicht mehr ganz so beeindruckt, wie bei ihren ersten Auftritten.

Hoch gehandelt wurde im Vorfeld Andrea Renzullo aus dem Sauerland. Doch der neue Schwarm kleiner Mädchen, scheint trotz toller Stimme außer Cover-Versionen von Leona Lewis noch nichts im Programm zu haben. Einen Plattenvertrag, heißt es, habe er trotzdem bereits unterschrieben.

Dann war da noch Tobias Kramer, der freiberufliche Tanzlehrer für Gehörlose aus Coesfeld, der selbst taubstumm ist und Musik nur hören kann, wenn sie laut ist. Weil er sie dann fühlt. Beindruckend war es, was der 27-Jährige bei seinen Auftritten zeigte, und er kam auch unter die besten drei. Am Ende aber war es nach Ansicht des Publikum offenbar nicht Talent genug. Das gleiche trifft wohl auch auf Thomas Lohse zu, der von RTL vom „Förderschüler“ zum Showpianisten gemacht wurde.

Beim Mann, der alles schlucken kann, bleibt ein fader Nachgeschmack

Darko Kordic, der mit der Band „Die Dritte Generation“ schon einmal für kurze Zeit die Hitparaden erobert hatte, er war bei der Interpretation des Luther Vandross-Klassikers „Dance with My Father Again“ an diesem Abend einfach nicht gut genug.

Bleibt Stevie Starr, der Mann, der alles schlucken und wieder nach oben befördern kann. Einzigartig ist das, keine Frage. Aber es bleibt ein fader Beigeschmack. Nicht nur weil er es mit seinen Fähigkeiten im vergangenen Jahr bereits im englischen Pendant „Britain’s Got Talent“ bis ins Halbfinale schaffte, sondern vor allem, weil es heißt, dass RTL ihn angeblich angerufen und um Teilnahme gebeten haben soll.

Ein unbeschriebenes Blatt ist allerdings auch das neue Supertalent nicht. Unter dem Namen Galileo hat er Carpe Diem bereits vor sieben Jahren erfolglos auf CD veröffentlicht. „Derzeit nicht verfügbar“ stand am Wochenende dazu geschrieben. Das dürfte sich bald ändern.