Köln. .

Die Lindenstraße feiert 25. Jubiläum. Ein Rückblick auf „Soddom, Gomerra“, Skandale und gebrochene Tabus, Aids, Männerliebe und ein versuchter islamistischer Terroranschlag.

Über Tote nie Schlechtes, heißt es. Aber mochte irgendjemand Else Kling, dieses garstige Weib, am Premierenabend der Lindenstraße am 8. Dezember 1985? Die verstorbene Schauspielerin Annemarie Wendl spielte die Hausmeister-Gattin aber mit solcher Schlagfertigkeit, dass viele ARD-Zuschauer den Serien-Tod von Else Kling 21 Jahre später betrauerten. Ein bisschen viel „Soddom und Gomerra“ - gemeint war Gomorrha - sei es ja gewesen, sagte die Grantlerin in ihrer Schlussszene 2006. Auch nach 25 Jahren, 43 Todesfällen, 27 Hochzeiten und 14 Geburten müht sich Deutschlands am längsten andauernde Fernsehserie jeden Sonntag, nicht langweilig zu werden.

Andy Zenker schlägt Robert Engel zusammen. Bild: WDR
Andy Zenker schlägt Robert Engel zusammen. Bild: WDR © WAZ

„So, da wär’ er!“, waren die ersten Worte, die in der in München gelegenen Lindenstraße gesprochen wurden. Hausmeister Egon Kling hatte diese Ehre. Er sprach den Satz nach der erfolgreichen Suche nach einem Schlüssel. 14 Millionen Zuschauer schalteten damals am Sonntag um 18.40 Uhr ein. Inzwischen ist 18.50 Uhr Sendebeginn und die durchschnittliche Einschaltquote liegt bei 3,5 Millionen.

„Herzlich Willkommen“ nannte Erfinder und Autor Hans W. Geißendörfer die erste von inzwischen über 1300 Folgen. Sonderlich willkommen war die Lindenstraße den Deutschen zunächst allerdings nicht. Die fanden zwar in der von der Flick-Parteispendenaffäre erschütterten Bundesrepublik die Intrigen in Dallas toll. Aber eine Serie, die die alltäglichen Dramen der Menschen zeigen wollte und endlos andauern sollte, verletzte die gängigen Vorstellungen von Fernsehunterhaltung.

Der „Spiegel“ schrieb vom „Mietskasernenmief“

„Das erste Jahr war hart“, erinnerte sich Geißendörfer in der „Bild am Sonntag“. „Am Drehort traf ich auf heulende Schauspielerinnen, denen zu Unrecht vorgeworfen wurde, Betontexte hölzern zu sprechen.“ Der „Spiegel“ schrieb vom „Mietskasernenmief“, der sich „wie Mehltau allsonntäglich über den Bildschirm legen durfte“. Das Magazin hielt Geißendörfer vor, er habe sich mit seiner Idee, die seit 1960 laufende britische Serie „Coronation Street“ nach Deutschland zu übertragen, „verrannt“.

Doch die Kritiker sollten sich täuschen. Es entstanden zunehmend stärker werdende Bande zwischen Fernsehpublikum und Lindenstraßen-Bewohnern: Das Hausmeisterpaar Kling, Doktor Dressler, Gaby und Benno Zimmermann, die Schildknechts und vor allem die Familie Beimer waren die ersten Säulen der Serie.

Hans verlässt Helga und Onkel Franz ist ein Alt-Nazi

Mutter Helga Beimer (Marie-Luise Marjan), Vater Hans (Joachim Luger), die Söhne Benny (Christian Kahrmann) und Klaus (Moritz A. Sachs) sowie die älteste Tochter Marion (Ina Bleiweiß) hätten genau das Familienbild verkörpern können, das den Deutschen unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) als Idealbild aufgezeigt wurde. Doch genau damit wollte Geißendörfer brechen: Hans verließ Helga für eine jüngere Frau, Tochter Marion verführte einen katholischen Priester und der zugezogene Onkel Franz war ein unverbesserlicher Alt-Nazi.

Die überraschenden Wendungen bei den Lindenstraßen-Bewohnern brachten Geißendörfer wiederholt den Vorwurf ein, zu sehr auf Drama und zu wenig auf Harmonie zu setzen. Beirren ließ er sich davon nicht: 1987 zeigte er den ersten Schwulenkuss im deutschen Fernsehen, 1988 starb der durch eine Bluttransfusion infizierte Benno Zimmermann an Aids. Bis heute setzt das Serien-Team auf Skandale - im vergangenen Jahr wurde in der Lindenstraße ein islamistischer Terroranschlag kurz vor der Bundestagswahl geplant - der Plan flog auf.

„Richtig ist, dass wir Dinge gesendet haben, die sich andere nicht getraut haben - und Tabus gebrochen haben“, sagte Geißendörfer der Fernsehzeitschrift „Hörzu“. Er glaubt, das Leben in Deutschland verändert zu haben. „Letztlich wurde die Gesellschaft durch unseren Mut, etwa Aids und Männerliebe zu thematisieren, immer liberaler und aufgeklärter.“ Der 69-jährige Geißendörfer will nun die Lindenstraße zu seiner eigenen Familiensaga machen: Er könne sich vorstellen, dass seine Töchter Lilli und Hana, die beide Regisseurinnen sind, in die Serie einsteigen und sie in die kommenden 25 Jahre führen. (afp)