Essen/Gävle. .
Rolf Lassgard hat mit seiner Rolle als Kommissar Wallander TV-Geschichte geschrieben. Jetzt spielt er erneut an der Seite von Hannelore Hoger in der ZDF-Reihe „Bella Block“ (Samstag, 20.15 Uhr). Jürgen Overkott erreichte ihn zuhause.
Rolf Lassgard straft das Bild des novembertrüben, grüblerischen Schweden Lügen. Wir erreichten ihn zuhause in Gävle. Er war kurz zuvor mit seiner Familie zu einem Kurzurlaub in New York. Während des Gesprächs lachte er gern und dröhnend.
Schweden war lange ein Musterbeispiel für Liebe und Frieden, und jetzt feiern plötzlich Rechtspopulisten Erfolge. Was ist da schief gelaufen?
Rolf Lassgard:Schwer zu sagen. Ich kann nur feststellen, dass die Rechten in den Neunzigern anfingen, sich neu aufzustellen, zunächst waren sie nur eine Splittergruppe, und jetzt sind sie ins Parlament eingezogen. Ich finde ihren Erfolg betrüblich für unser Land.
Erstaunlicherweise hat der verstorbene schwedische Krimi-Autor Stieg Larsson in seiner Millennium-Trilogie schon auf die Umtriebe rechtskonservativer Kräfte hingewiesen. Hatte er einen Blick für eine tiefere Wahrheit als das, was Zeitungen und Magazine liefern konnten?
Lassgard:Möglicherweise. In den 90er Jahren entstand eine Partei, die sich Neue Demokratie nannte, sie waren Einwanderern gegenüber feindselig eingestellt. Möglicherweise hat Larsson deren Aktivitäten sehr genau beobachtet und das in seine Bücher einfließen lassen.
Larsson gehört zu den Autoren, die in Deutschland unheimlich beliebt sind – wie überhaupt Bücher schwedischer Krimi-Autoren gern genommen werden. Haben Sie eine Idee, warum?
Lassgard:Oh ja, das hat etwas damit zu tun, dass schwedische Autoren eine neue Tradition der Krimi-Schreibe begonnen haben. Denken Sie an das Autoren-Duo Sjöwall/Wallöö, das bereits in den 60er Jahren die Figur des Martin Beck geschaffen hat. Ihre Krimi-Romane waren neu, weil ihre Geschichten nicht nur mit reinen Kriminalfällen zu tun hatten, sondern ihren Blick immer auch auf die Gesellschaft richteten, in ihrem Fall natürlich auf die schwedische. Nehmen Sie Henning Mankell! Er interessiert sich nicht nur für die schwedische Gesellschaft – er hat gleich die ganze Welt im Blick. Sein Kommissar Kurt Wallander lebt zwar in einem kleinen Dorf in Südschweden, wo er einen Blick in moralische Abgründe wirft, aber seine Fälle sind stets mit dem Weltgeschehen verknüpft.
Das große Publikum kennt Sie als Filmdarsteller Wallander. Haben Sie schon mal das Gefühl gehabt, Wallander zu sein?
Lassgard:Nein, natürlich nicht. Den ersten Wallander-Film haben wir, glaube ich, 1992 gedreht. Ich habe zwar über einen Zeitraum von zehn Jahren immer wieder Wallander gespielt, aber ich habe zwischendurch auch andere Projekte verfolgt. Aber Tatsache ist auch: Kurt Wallander ist für mich so etwas wie ein guter Freund.
Haben Sie Henning Mankell jemals getroffen?
Lassgard:Oh ja! Mehrfach! Wir haben uns sehr eingehend über Wallander unterhalten, über einzelne Charakterzüge der Figur. Aber ich muss zugeben: Ich habe Mankell schon seit einigen Jahren nicht mehr gesehen. Man hat mir angeboten, weitere Wallander-Filme zu drehen. Ich habe aber abgelehnt, weil ich befürchte, auf die Rolle festgelegt zu werden und nichts anderes mehr machen zu können.
Was machen Sie im Augenblick?
Lassgard:Es gibt mehrere Projekte fürs schwedische Fernsehen. So stehe ich beispielsweise demnächst als Polizeipsychologe vor der Kamera. Das Drehbuch haben dieselben Autoren geschrieben, die auch die Wallander-Stoffe fürs Fernsehen umgesetzt haben. Wir haben uns erst mal zusammengesetzt und Ideen gesammelt, wie der Charakter dieses Mannes aussehen sollte. Und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass er zwar brillant ist, aber auch jede Menge Probleme mit sich selbst hat.
Lieben Sie kaputte Helden?
Lassgard:Allerdings! Die sind doch viel interessanter als Superhelden.
Wie reagiert das deutsche Publikum auf Ihre Filme?
Lassgard:Es gibt eine Menge Reaktionen, erstens gibt es eine Internetseite, die sich mit mir beschäftigt, zweitens mal gibt es auch persönliche Rückmeldungen, so bin ich beispielsweise nächste Woche in Berlin.
Was ist denn der Tenor der Reaktionen?
Lassgard:Die meisten sind positiv, und manchmal habe ich das Gefühl, die Zuschauer wissen mehr über mich als ich selbst (lacht).
Was viele Zuschauer nicht wissen: Sie sind mit Shakespeare berühmt geworden. Sehen Sie Gemeinsamkeiten mit Mankell?
Lassgard:Gemeinsamkeiten? Aber ja! Ein guter Krimi erzählt vom Leben und vom Sterben, oft grundsätzlich, das ist großes Drama. Oft haben diese Geschichten religiöse oder doch zumindest moralische Untertöne.
Wir sehen Sie in einer Episode von „Bella Block“. Kannten Sie die ZDF-Reihe vorher?
Lassgard:Nein, ich hatte vorher noch keinen Krimi aus der Reihe gesehen. Ich kannte aber sowohl Hannelore Hoger als auch den Regisseur Rainer Kaufmann, und zwar von einem anderen Film, nämlich „Ellas Geheimnis“. Aber ich habe mich natürlich vor den Dreharbeiten schlau gemacht über das, was Hannelore vorher gemacht hat, und dabei bin ich auch auf „Bella Block“ gestoßen. Nebenbei war ich überrascht, wie beliebt die Reihe in Deutschland ist.
Spricht Hannelore Hoger schwedisch?
Lassgard:(lacht) Ja, ein bisschen. Aber ich spreche kein Deutsch. Und wissen Sie was? In Südafrika spielte die Sprache nur eine untergeordnete Rolle. Wir haben sehr eng zusammengearbeitet, das kann man durchaus wörtlich nehmen, wir waren nämlich meist in kleinen Hotels untergebracht. Das bringt einen zusammen. Wir haben über Gott und die Welt gesprochen, auch über den Film, und wir haben uns wirklich gut kennengelernt. Und deshalb habe ich mich sehr darüber gefreut, als ich das Angebot erhielt, einen weiteren Film mit Hannelore und Rainer zu drehen.
Ich weiß, dass Sie den Film gesehen haben. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Lassgard:Eine Sache war für mich komplett neu: nämlich synchronisiert zu werden. Ich habe Rainer gebeten, mir meine Dialogsätze korrekt vorzusprechen, und ich habe sie beim Drehen gesprochen, aber wegen meines Akzents wurden sie lippensynchron nachgesprochen. Und das klingt, finde ich, ganz ordentlich.