Essen. .

Geschmacklosigkeit kennt offenbar keine Grenzen: RTL will am Sonntag den toten Uwe Barschel interviewen. Witwe Freya soll Kontakt zu ihrem Mann aufzunehmen. Kirchenvertreter äußern ihren Unmut über diese Art der Volksverdummung.

Wir sollten gespannt sein. Vielleicht müssen am Montag die Geschichtsbücher umgeschrieben werden. Erscheint einer der größten Politskandale, die sogenannte „Waterkantgate“, in einem neuen Licht. Denn am Sonntag spricht der Hauptakteur, der ehemalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein Uwe Barschel, der 1987 in einer Badewanne im Genfer Hotel „Beau Rivage“ unter mysteriösen Umständen ums Leben kam. Exklusiv, versteht sich. Bei RTL.

Quote mit Toten

Die Geschmacklosigkeit kennt bei der privaten TV-Gruppe keine Grenzen. Nach Dschungelcamp und Big Brother, nach Ersatz-Mami und Super-Nanny möchten die Kölner jetzt Quote mit Toten machen. „Das Medium“, Sonntag, 19.05 Uhr, heißt das jüngste absurde Doku-Tainment. An der Seite von Hellseherin Kim-Anne Jannes versucht die Barschel-Witwe Freya Kontakt zu ihrem Mann aufzunehmen.

Die 63-Jährige jedenfalls ist begeistert. „Mein verstorbener Mann ist bereit gewesen, mit uns zu sprechen“, erklärt Freya Barschel den „Lübecker Nachrichten“. Ob Uwe Barschel allerdings über die Wassertemperatur plauscht, ihr eine Liebeserklärung zuhaucht, sein legendäres „Ehrenwort“ noch einmal erneuert oder verrät, wer ihn umgebracht hat, daraus macht Freya ein Geheimnis. Das dürfe sie im Vorfeld nicht verraten.

Ihren Unmut über diese Art der Volksverdummung äußern die Kirchen. „In der Platzierung der Sendung sehe ich ein mangelndes Bewusstsein für die Bedeutung des Reformationstages“, erklärt der Medienbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Markus Bräuer. Der Reformationstag stehe für die Verbindung von Glaube und Vernunft. „Eine Hellseherin, die Kontakt mit den Toten zu haben behauptet, erscheint mir im 21. Jahrhundert überholt“, so Bräuer. „Wo der Glaube schwindet, macht sich Aberglaube, die Sehnsucht nach Transzendenz breit“, sagt Pfarrer Gary Albrecht, der Beauftragte für Sekten und neue religiöse Bestrebungen im Bistum Essen. Dieser neue Glaube an die Esotherik sei eine große Herausforderung für die Kirche. Albrecht vermutet, dass Freya Barschel eine tiefe Sehnsucht nach ihrem verstorbenen Mann haben muss, eine, die „wir nicht nachvollziehen können“.

Ob diese Jenseitskontakte als sinnvolle Trauerarbeit gerechtfertigt werden können, zweifeln Wissenschaftler an, halten sie zuweilen für ein zynisches Spiel mit den Hoffnungen der Hinterbliebenen. Ein Ende dieses medialen Irrsinns ist allerdings nicht in Sicht.

„Wir haben eine gesetzlich verankerte Rundfunkfreiheit“, erläutert Peter Widlok von der Düsseldorfer Landesanstalt für Medien (LfM). „Wir sind keine Zensurbehörde.“ Solange keine schwerwiegende Straftat zu befürchten sei, habe die LfM keine Möglichkeit, eine Sendung zu verbieten. Eine solche Überlegung habe es erst einmal gegeben: Als der Oklahoma-Attentäter Timothy Mc Veigh seine Hinrichtung im Fernsehen übertragen lassen wollte. „Das hätte gegen die Menschenwürde verstoßen“, so Widlok. Ein Gespräch mit einem Toten passt wahrscheinlich nur in die Kategorie gaga, ist aber nicht wirklich gefährlich. Die wollen schließlich nur reden.