Münster. Ein Priester liegt überfahren in der Innenstadt von Münster. Bei der Suche nach dem Mörder des Geistlichen müssen Kommissar Thiel (Axel Prahl) und Rechtsmediziner Boerne (Jan Josef Liefers) im "Tatort" "Tempelräuber" tief in das katholische Milieu im Herzen von Westfalen eintauchen.
Der ebenso konservative wie angesehene Leiter des Priesterseminars war auf dem Weg zum regelmäßigen Schachabend mit dem Bischof, als er auf seinen Mörder traf. Für Thiels exaltierte Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) ist das Verbrechen eine Katastrophe, denn "in Münster zählt ein toter Priester soviel wie zwei tote Bürgermeister oder drei tote Polizisten." "Du heiliger Bimbam", stöhnt da der eher kirchenferne Thiel angesichts der anstehenden Ermittlungen im Priesterseminar. Auf das Mitleid seiner Vorgesetzten kann er da nicht hoffen: "Sie sind ja ein armes Heidenkind".
Härter noch als Thiel trifft es Karl-Friedrich Boerne. Der Rechtsmediziner wurde zufällig Zeuge der Tat. Beim Versuch, dem sterbenden Opfer zu helfen, wurde auch er von dem Mörder angefahren. Die Folge sind komplizierte Brüche an beiden Händen, die Boerne zum zeitlich befristeten Pflegefall machen.
Nicht nur christliche Werte wie Güte und Barmherzigkeit
Prompt ist der massiv gehandicapte Mediziner unausstehlich, was neben seiner leidgeprüften Assistentin "Alberich" (ChrisTine Urspruch) vor allem Thiel abbekommt ("Ist das ein Lächeln in ihrem Gesicht oder hatten Sie einen Schlaganfall?"). Gegen Boernes vehementen Widerstadt organisiert Thiel Karin Ellinghaus (Johanna Gastdorf) als häusliche Krankenpflegerin, die mit ihrem hochbegabten 15-jährigen Sohn den Alltag des eingefleischten Single Boerne gehörig auf den Kopf stellt.
Inzwischen finden Thiel und seine Assistentin heraus, dass im Priesterseminar beileibe nicht nur christliche Werte wie Güte und Barmherzigkeit gelebt wurden. So hatte das Opfer vehemente Auseinandersetzung mit seinem Stellvertreter, dem liberalen Hans Wolff (Ulrich Noethen). Doch er ist nicht die einzige Person in der katholischen Kaderschmiede, die ein Geheimnis und damit auch ein potenzielles Mordmotiv hat.
Thiel wird um seine Nachtruhe gebracht
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Es mangelt also nicht an Herausforderungen für Thiel, zumal das Taxi, mit dem der Mord verübt wurde, kurz vor der Tat ausgerechnet seinem Vater (Claus D. Clausnitzer) gestohlen worden war. Und der rüstige Alt-68er will so schnell wie möglich sein verschwundenes Fahrzeug zurückhaben. Der Ermittler wird in dieser Episode also mehr als einmal um seine dringend benötigte Nachtruhe gebracht und kann sein FC-Sankt Pauli-Fan-T-Shirt kaum ablegen.
Mehr Opfer als Täter
Genüsslich spielt Regisseur Magnus Tiefenbacher mit dem katholischen Mikrokosmos von Münster, immer wieder nutzt er die von Kirchtürmen geprägte Silhouette der Stadt als Motiv. Als seiner Unabhängigkeit beraubter Schöngeist Boerne agiert Jan Josef Liefers zeitweise an der Grenze zum Slapstick, ohne aber seine Figur mehr als notwendig der Lächerlichkeit preiszugeben.
Bei all dem kommt die Krimihandlung nicht zu kurz. Dabei entwickelt die bis dahin launig-ironische Geschichte im letzten Drittel auch eine tragische Facette. Geschickt führt Drehbuchautor Magnus Vattrodt die Fäden der Handlung zusammen. Schließlich bleibt Thiel und dem erschütterten Boerne die Erkenntnis, dass die Person, die den Priester getötet hat, fast mehr Opfer als Täter ist. (ddp)