Essen. .
Beim Sonntagsabends-Talk von Anne Will zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche zeigte sich der Essener Bischof Franz Overbeck als Hardliner: In der zunehmend hitzigen Debatte sagte er, Homosexualität widerspreche „der Natur von Mann und Frau“.
Der Missbrauchsskandal in katholischen Einrichtungen zieht sich zäh durch das noch junge Jahr. Dort, wo aufgeklärt werden sollte, ist Stillstand. Lediglich immer mehr Opfer melden sich, grausame Details von Misshandlungen werden bekannt. Dort, wo klare Schuldbekenntnisse sein sollten, herrscht Schweigen. Stattdessen häufen sich die Kirchenaustritte.
Die katholische Kirche hat ein Problem. Doch sie geht es nicht an, zumindest kaum. Folgerichtig steht Anne Wills ARD-TV-Talk am Sonntagabend unter dem Motto: „Benedikts Schweigen – Sind wir noch Papst?“ Bei den Ergebnissen einer Stern-Umfrage, nach der das Vertrauen in die katholische Kirche rapide sinkt, eine berechtigte Frage.
Strickmuster für einen TV-Talk
Um sie zu klären, hat sich Anne Will eine illustre Runde auf ihre Stühle geladen: Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen, zunächst sachlich, später wütend und konservativ. Dagegen der schwule Filmemacher Rosa von Praunheim, der mit seinen kontroversen Ansichten versucht, die Debatte aufzumischen. Die Journalisten Hans-Ulrich Jörges und Matthias Matussek. Daneben Sophia Kuby, überzeugte Sprecherin der „Generation Benedikt“, die Papst Benedikt laut Homepage als „echten Freund der Jugend“ sieht. Und Alexander Probst, ein ehemaliger Schüler des Domspatzen-Internats, der dort zwei Jahre lang tägliche Prügel bezog und ein Jahr lang vom Präfekten missbraucht wurde.
Das Strickmuster für einen Talk zum Thema, das der TV-Zuschauer bereits im Februar bei Kollege Frank Plasberg sehen konnte. Über den Missbrauchsskandal selbst erfahren wir nichts Neues. Vielmehr scheint es Anne Will und ihrem Team darum zu gehen, die Kommunikation der katholischen Kirche zu durchleuchten, und wie – oder besser: wie nicht – die Botschaften bei den Schäfchen ankommen.
„Wir sind Papst“-Euphorie ist verflogen
2005 noch hatte sich in Deutschland Euphorie breit gemacht. Alle feierten den Deutschen Joseph Ratzinger als neuen Papst. Jetzt, fünf Jahre später, sieht die Situation anders aus: Der Heilige Vater steht in der Kritik, weil er sich weder in der Osterpredigt noch im Hirtenbrief zu den deutschen Missbrauchsfällen äußerte; weil er offenbar bereits 2001 über einige Fälle informiert war, sich aber nicht für die Opfer einsetzte; weil er Ausdrücke wie „Geschwätz der vorherrschenden Meinung“ im Zusammenhang mit dem Skandal tolerierte.
Heftige Vorwürfe, harte Kritik. Und die Diskussion läuft so ab, wie sie absehbar war: „Er will nicht vertuschen“, verteidigt Matthias Matussek. Deutschland sei eben nur ein „Fliegenschiss“ auf der Landkarte der katholischen Kirche. Da müsse der Skandal nicht in der weltweit hörbaren Osterpredigt vorkommen. Und Missbrauch passiere übrigens auch in der evangelischen Kirche. „Ich finde ihn glaubwürdig. Er gibt mir für mein Leben Orientierung“, sagt Sophia Kuby.
Eine Zwickmühle
„Seine Botschaft ist eindeutig“, pflichtet Bischof Franz-Josef Overbeck bei. „Die Botschaft verfängt sich allerdings nicht, weil wir eine Vertrauenskrise in Deutschland haben.“ Damit meint er die Vertrauenskrise in die Priester, die wiederum das Vertrauen des Papstes missbraucht haben. Die Zwickmühle der katholischen Kirche.
Doch wie kommt Benedikt XVI. aus eben dieser Misere heraus? Der Essener Bischof versuchte es mit der harten Linie: „Ich denke, es ist wichtig, den Ruf Gottes zu schützen“, antwortet er auf die Frage, was er gedacht habe, als er ein umstrittenes Zitat des Regensburger Bischofs gehört habe. „Wir bringen Klarheit in eine pluriforme Gesellschaft“, sagt Overbeck. Und lädt dazu ein, Gottesdienste zu besuchen: „Um sich in der Kirche wohl zu fühlen, muss man zu ihr gehen.“ Den Einwurf des Regisseurs von Praunheim „Das gilt nicht für Homosexuelle“ überhört er.
Hitzige Diskussion
Doch der Essener Bischof sagt auch Dinge wie: „Homosexualität ist eine Sünde. Das widerspricht der Natur von Mann und Frau.“ Dass er bei diesem Thema mit Rosa von Praunheim auf keinen grünen Zweig kommt, dürfte klar sein. „Sie wissen doch selbst, wie viele Priester homosexuell sind oder etwas mit ihrer Haushälterin haben“, schießt der Regisseur – und bedient damit die gängige Gerüchteküche.
Homosexualität und Sexualmoral, Zölibat und Pädophilie, Vertuschung und Ehrlichkeit, kirchliches Recht und Staatsrecht, Frauen und Priesteramt, Tradition und Weltoffenheit – all diese Begriffe werden in der Diskussion in einen Zusammenhang gestellt, wieder auseinander gerissen, verknäuelt, entzweit, gedreht und gewendet. Die teils sehr hitzige Debatte unter Fernseh-Gästen verdeutlicht einmal mehr, in wie vielen Punkten die katholische Kirche zurzeit kritisiert, hinterfragt und angegriffen wird. Eine Lösung? Auf der TV-Couch auf jeden Fall nicht in Sicht.