An Rhein und Ruhr.

Nach den Missbrauchsskandalen der vergangenen Monate steigt in der katholischen Kirche die Zahl der Austritte.

Die Missbrauchsvorwürfe der vergangenen Monate haben die katholische Kirche in eine tiefe Vertrauenskrise gestürzt. „Ich verstehe es, wenn sich Leute deshalb dazu entscheiden, aus der Kirche auszutreten“, bekennt Hans Döink, Beauftragter zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche beim Bistum Münster. Und es treffen offenbar immer mehr Menschen diese Entscheidung: Zwischen Mitte Februar und Mitte März verließen in Münster 137 Mitglieder die katholische Kirche – gegenüber 121 im Vorjahreszeitraum.

„Viele stehen
noch unter Schock“

Auch anderswo im Ruhrgebiet und Rheinland verzeichnen die Amtsgerichte in diesen Tagen eine zunehmende Anzahl von Kirchenaustritten – besonders bei der katholischen Kirche: 78 Duisburger Katholiken traten im März aus, im Februar waren es 34, im Januar 37. Auch im Amtsgericht Rheinberg ist die Zahl mit 57 Kirchenaustritten im März, davon 44 Katholiken, im Vergleich zu den Vormonaten gestiegen. Ähnlich sieht es in Wesel und Emmerich aus: Beide Amtsgerichte verzeichnen im Vergleich mit dem Vorjahr für das erste Quartal 2010 einen leichten Anstieg der Austritte aus der katholischen Kirche.

Ein flächendeckender Trend ist allerdings nicht zu erkennen. In Moers und Essen ist der Mitgliederschwund gar rückläufig. In Moers wurden von Januar bis März 2009 noch 155, im gleichen Zeitraum dieses Jahres 142 Kirchenaustritte von Katholiken und Protestanten verzeichnet. In Essen waren es im März vergangenen Jahres 111 Katholiken, in diesem März 81.

Im Norden des Niederrheins gibt es für die Kirchen zurzeit weniger gute Nachrichten: Im Bezirk des Klever Amtsgerichts haben seit Anfang des Jahres 104 Menschen die Kirche verlassen; „Allein im März waren es 60, überwiegend Katholiken“, betont die Justizangestellte Carolin Biesemann. Viele machten ihrem Ärger über die Missbrauchsskandale auch im Amtsgericht Luft.

Ob eine Entschuldigung des Papstes sie hätte besänftigen können – Gochs Pastor Günter Hoebertz bezweifelt dies. Noch im März mahnte er: „Jetzt braucht die Kirche Zeit, die Dinge genau zu prüfen und Trittbrettfahrer von wahren Opfern zu unterscheiden. Viele stehen noch unter Schock“, so der Geistliche. Er hat in seiner Gemeinde aktuell keine vermehrten Austritte verzeichnet.

Missbrauchsfälle als
Austritts-Auslöser

Ganz anders in der Bistumsstadt Köln: Hier meldete das Amtsgericht im Februar 261, im März 601 – und damit mehr als doppelt so viele Kirchenaustritte. Verglichen mit dem Vorjahresmärz waren es 177 mehr. Auch beim Düsseldorfer Amtsgericht machte sich im März ein deutlicher Anstieg gegenüber den vorherigen Mo­naten bemerkbar: Während sich im Januar und Februar jeweils 104 Katholiken von der Kirche abwendeten, stieg die Zahl im März auf 193, bei der evangelischen Kirche waren es dagegen nur 74.

Ein direkter Zusammenhang zwischen den Missbrauchsfällen und den vermehrten Austritten kann laut Stefan Coners, Pressesprecher am Amtsgericht Düsseldorf, weder ausgeschlossen, noch belegt werden. Denn: „Die persönlichen Gründe für einen Kirchenaustritt müssen nicht angegeben werden.“ Seine Vermutung: „Die Missbrauchsfälle sind wahrscheinlich nur der Auslöser dafür, die bereits seit längerer Zeit feststehende Entscheidung, aus der Kirche auszutreten, letztendlich auch in die Tat umzusetzen.“