Essen. Der Ruhm des letzten Protagonisten von „Bauer sucht Frau” wird bald verblasst sein. Immerhin hat es für einen neuen Trecker gereicht. Reich geworden ist Heinrich Gersmeier, besser bekannt als Schäfer Heinrich, mit der Sendung jedoch nicht.
„Zu Heinrich?” Die alte Dame muss nicht lange überlegen. „Zweite links, über die Hauptstraße und dann das erste Haus auf der rechten Seite.” Sie kennt den 42-Jährigen. Nicht aus dem Fernsehen. „Von früher.” Jeder kennt ihn hier. Weil im Dorf jeder jeden kennt. Der Rest des Landes hat Heinrich knapp ein Jahr kennengelernt. Er war der Star der vierten Staffel der RTL-Doku-Soap „Bauer sucht Frau”. Bis zu 8,6 Millionen Zuschauer schalteten ein, um zu sehen, wie der singende Schäfer seiner Anja den Hof machte. Mit Anja hat es nicht geklappt. Aber dafür mit einem Plattenvertrag.
Polizei musste Straße räumen
„Über Nacht zum Star” hieß es in vielen Geschichten, die damals über Heinrich Gersmeier geschrieben wurden. Damals, als sein Schäferlied zweithöchster Neueinsteiger in die deutschen Charts war – gleich nach Madonna. Damals, als er bei „DSDS” auftreten durfte und bei Florian Silbereisen. Damals, als wildfremde Frauen ihre Blusen vor der Bühne öffneten, damit Heinrich ihnen ein Autogramm auf den Busen geben konnte. Gerade einmal elf Monate ist das her, doch Heinrich kommt es vor wie gestern. Für TV-Verhältnisse aber ist es eine Ewigkeit. „Hat schon lange keiner mehr nach Heinrich gefragt”, sagt der Mann, der vor seinem Haus Laub fegt.
Damals war das anders. Jeden Tag kamen Fans bei Heinrich vorbei. Manchmal gleich in Reisebusstärke. Die Polizei musste die Straßen räumen. „Bekloppt waren die”, sagt der Laubfeger. „Es war ein bisschen viel”, sagt selbst Heinrich heute. Aber er will sich nicht beklagen. Weil es ja irgendwie auch schmeichelhaft ist, wenn einen plötzlich so viele Menschen mögen. Besonders für jemanden, der bis dahin von der Bezeichnung „Frauenschwarm” so weit weg war wie die Färöer-Inseln vom Titel des Fußball-Weltmeisters.
Mutter Johanna, mit der Heinrich zusammenlebt, hat die Besucher immer in die gute Stube gebeten. Macht sie heute noch. „Kommense rein. Wollense 'nen Kaffee?” Dazusetzen kann sie sich allerdings nicht. „Ich muss in die Runkeln”, sagt die 77-Jährige und knöpft die Strickjacke zu, die sie über den Kittel gezogen hat.
Auf dem Boden geblieben
Auch Heinrich hat wenig Zeit. „Ist immer was zu tun auf dem Hof.” Mama nickt. „Denk an das Gartentor. Mach endlich die Latte fest.” Seit Wochen mahnt sie das schon. Aber der Heinrich schafft es einfach nicht. „Bin immer noch viel unterwegs”, sagt er entschuldigend. Ob Messehalle in Husum, Music Hall in Geiselwind oder Festscheune im Nirgendwo – überall muss er seine neue Single vorstellen, muss „Schäfchen zählen”.
Auf dem Boden geblieben ist er angeblich. Und bei seinen Schafen. Bescheiden und sparsam. Einer der tief im Inneren ahnt, das er kein Star ist. Im Grunde aber, glaubt der Landwirt, „bin ich immer noch der Alte.” Die meisten im Dorf glauben das auch. „Netten Kerl” nennen sie ihn, manchmal auch mitfühlend „arme Sau”. Weil die Gersmeiers ganz schön ackern müssen, um über die Runden zu kommen. „Neiden tut dem Heinrich keiner was”, sagt eine junge Frau aus der Nachbarschaft. Vielleicht, weil es nichts zu beneiden gibt.
Vor Weihnachten soll ein neues Album erscheinen
„Nee, Nee”, beteuert der Schäfer, „reich bin ich durch die ganze Sache nicht geworden.” Urlaub hat er nicht gemacht und sich auch kein neues Auto geleistet. Dafür aber einen neuen Trecker. „Der war wichtiger.” Dann noch ein kleines Stück Land dazu gekauft und den Hof ein wenig renoviert – schon war das Geld weg, das Gersmeier bei „Bauer sucht Frau” und mit seinem „Schäferlied” verdient hat. Noch vor Weihnachten soll deshalb ein Album mit eigenen Liedern erscheinen. „Vielleicht kommt noch was rein.” Er kann es brauchen. „Die Landwirtschaft wirft ja kaum was ab.” Schon bald, da macht sich Heinrich nichts vor, wird der kurze Ruhm ganz verblasst sein. Ist schade, hat aber einen Vorteil: „Dann habe ich endlich Zeit, mich nach einer Frau umzusehen.”