Essen. „Die Super Nanny vermittelt das Gefühl, es gibt eine schnelle Lösung.” Das ärgert Alfons Wissmann, es konterkariert seine Arbeit. Er leitet das Jugendamt Gelsenkirchen und sagt: „Prävention ist viel wichtiger” als à la Katharina Saalfrank einzugreifen, wenn das Problem schon lange bestehe.

Weit über 100 Folgen der Doku-Soap hat RTL seit dem Start 2004 ausgestrahlt. Am heutigen Mittwoch läuft vorerst die letzte Ausgabe der„Super Nanny” (20.15 Uhr). Im Herbst soll die Dokusoap, die durchschnittlich drei Mio. Zuschauer sehen, fortgesetzt werden. Auch, weil es Massen an Familien gibt, die die Hilfe der Super Nanny wünschen. „Wir bekommen etwa 2000 Bewerbungen im Jahr”, sagt RTL-Sprecherin Anke Eickmeyer. Und das, obwohl der Sender keine Honorare an die Familien zahlt. „Die Menschen bekommen lediglich eine Aufwandsentschädigung. Schließlich drehen wir im Schnitt zwölf Tage vor Ort.”

Die vergessene Frage nach dem Danach

Was Menschen bewegt, sich bei der Super Nanny oder in anderen Talkshows zu outen, kann Wissmann nur vermuten. Vielleicht wollen diese Menschen etwas von einem vermeintlichen Ruhm erhaschen. Vielleicht wollen sie einfach 'mal im Mittelpunkt stehen? Vielleicht halten sie einen Auftritt für den ersten Schritt auf dem Weg, reich und berühmt zu werden?

Die Frage nach den Konsequenzen, nach dem Danach, die stellt sich keiner. „Wie lebt eine Familie weiter?”, fragt Wissmann. Er habe es an einer Gelsenkirchener Familie mit „schillernder Lebensbiografie” und diversen TV-Auftritten erleben dürfen. Letztendlich habe sich nichts positiv verändert. „Wenn man Probleme öffentlich im Fernsehen vorstellt hat das eine andere Qualität als wenn man sie zuhause diskutiert”, weiß Wissmann seither. Im Nachhinein seien Verletzungen dann nicht mehr zu kitten. Außerdem wisse man auch nicht, wie das Umfeld auf das öffentliche Outing reagiere.

Klar ist dem Sozialarbeiter aber eines: Es gibt den Markt. Und damit auch Zuschauer, die Spaß an den Problemen anderer Menschen haben. Bezogen auf die Super Nanny ist sich Wissmann aber auch gewiss: Die „Problemlösungen dauern deutlich länger als RTL Sendezeit zur Verfügung hat”. In der ambulante Hilfe, wo ähnlich geartete Fälle wie Katharina Saalfrank sie bewältigt, bearbeitet werden, rechnen Jugendpfleger mit ein bis drei Jahren. „In zwölf Tagen ist das nicht zu lösen.”