Berlin. . Joko und Klaas gewannen in einer Gameshow gegen ProSieben Sendezeit. Sieben Stunden lang zeigte der Sender eine Schicht in der Pflege.
"#nichtselbstverständlich". Unter diesem Motto lief am Mittwochabend und Donnerstagmorgen eine sieben Stunden lange Spezialausgabe von "Joko & Klaas live" auf dem Fernsehsender ProSieben. Ohne Werbeunterbrechungen wollten die beiden Entertainer damit auf den Pflegenotstand aufmerksam machen.
Normalerweise können Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf in der Sendung "Joko & Klaas gegen ProSieben" 15 Minuten Sendezeit zur Primetime erspielen, die die beiden Showmaster regelmäßig nutzen, um auf soziale Themen wie etwa die Kriminalisierung der Seenotrettung aufmerksam zu machen.
"ProSieben" begleitet Pflegekraft
Am Mittwochabend begann zur Primetime um 20.15 Uhr allerdings eine Sendung bei dem für Unterhaltung berühmten Privatsender, die deutlich länger dauerte als die üblichen 15 Minuten - nämlich sieben Stunden.
Mit einer kleinen Kamera begleiteten die Zuschauerinnen und Zuschauer eine Schicht der Gesundheits- und Krankenpflegerin Meike Ista im Knochenmark- und Transplantationszentrum der Uniklinik Münster (dokumentiert am 18. März 2021).
Pflegende erzählen von hoher Belastung und schlechter Bezahlung
Zu Beginn der Sendung kamen auch noch andere Pflegekräfte zu Wort, die auf die Not in deutschen Krankenhäusern hinwiesen. So erzählten zum Beispiel Alexander Jorde aus Hildesheim oder Franziska Böhler aus Frankfurt am Main von der hohen Belastung bei schlechter Bezahlung. Politik und Gesellschaft versäumten es demnach seit Jahren, faire Bezahlung und machbare Arbeitsmengen zu ermöglichen.
Andere Pflegekräfte wie Dustin Struwe aus Köln beklagten, es habe erst die Corona-Pandemie gebraucht, um die schlimme Situation in der Pflege zu verdeutlichen. Der Bielefelder Intensivpfleger Ralf Berning erzählte von der andauernden Überbelastung. Er kenne Menschen, die 23 Tage am Stück arbeiteten - "völlig unmenschlich" urteilte der Pfleger.
Berning erzählte auch aus seiner Vergangenheit. Früher sei er Soldat gewesen. Er ginge allerdings lieber nach Afghanistan zurück, als noch einmal so etwas Schlimmes zu erleben wie während der zweiten Corona-Welle im letzten Herbst.
"#nichtselbstverständlich" provoziert Solidarität - und Kritik an der Politik
Die "ProSieben"-Sendung provozierte im Netz viele Reaktionen, die überwiegend positiv ausfielen. Sogar der Konkurrenzsender RTL lobte: "Starke Aktion, ProSieben! Ein beeindruckendes Zeichen für die Pflege!"
Auch auf dem Twitter-Account des deutsch-französischen Fernsehsenders "Arte" war man sich sicher: "Was da gerade bei ProSieben passiert, dürfte ein Stück deutsche TV-Geschichte sein".
"ProSieben"-Senderchef: Sendung ist wie eine Demo
"ProSieben" twitterte während der Sendung ebenfalls. "Bitte helft, dass aus diesem Abend eine große Respektkundgebung wird, die etwas ändert. Das sah auch Senderchef Daniel Rosemann so, der schrieb: "Wir sind heute Ort für eine Demo. Für eine Demo, für die die Teilnehmer vor lauter Überstunden keine Zeit haben".
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Doch nicht nur aus der Unterhaltungsbranche kamen Reaktionen auf die ungewöhnliche Sendung zur Primetime. Sogar Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz twitterte: "Danke an alle Pflegerinnen & Pfleger. Ohne sie geht nichts. Antwort auf diese Erkenntnis ist nicht, Beifall zu klatschen. Respekt heißt: gute Löhne und Arbeitsbedingungen."
Unter dem Tweet des Ministers sammelte sich allerdings viel Kritik an der Politik. Alexander Jorde, der als Pfleger in der Sendung vorkam, twitterte: "Ich will keine Worte mehr, ich will Taten. Du bist Vizekanzler, Olaf Scholz. Worauf warten wir? Wann, wenn nicht jetzt? Hört auf zu reden. Handelt! Wir haben keine Zeit mehr."
Zum ersten Mal in der Geschichte der seit 2019 laufenden Sendung "Joko & Klaas live" hatten die beiden Entertainer mehr als 15 Minuten Sendezeit vom Sender zur Verfügung gestellt bekommen. Auch interessant: Corona-Forscher - Deutschland verschenkt wertvolle Zeit
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Joko Winterscheidt: "Ein Thema, das uns alle betrifft"
Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt leiteten die Sendung mit einigen persönlichen Worten ein: "Ein Thema, das uns alle betrifft, mitten aus dem Leben, und dennoch zu oft ganz am Rand der allgemeinen Wahrnehmung. Viele Themen im Leben bekommen erst dann den Stellenwert, den sie verdient haben, wenn man die Gelegenheit bekommt, sich in ein Leben hineinzuversetzen, das nicht zwangsläufig das eigene ist."
Auch Senderchef Daniel Rosemann bekundete seine Unterstützung für die ungewöhnliche Sendung, die noch lange im kollektiven TV-Gedächtnis der Nation bleiben dürfte: "Joko und Klaas haben wirklich eine besondere Idee für eine außergewöhnliche Aktion. Diese Idee will ProSieben unterstützen." (mit dpa)