Berlin. Im zweiten Teil der „Tatort“-Jubiläumsfolge fallen nicht nur das Spiel von Emma Preisendanz, sondern auch Pia Strietmanns Regie auf.
Zwei Folgen an zwei Sonntagen, zwei Städte und zwei Ermittlerteams: So feiert die ARD das 50-Jahre-Jubiläum der Kult-Krimireihe„Tatort“. Der zweite Teil des „Tatorts“ „In der Familie“ spielt nun im Münchner Raum und ist mehr als nur eine Fortsetzung. Es ist ein Drama, das auch für sich selbst stehen könnte – erzählt aus der Perspektive einer jungen Frau, die sich gegen den kalabrischen Mafia-Clan aufbäumt, der ihre Familie fest im Griff hat.
Im ersten Teil noch ein naiver Teenager, ist Sofia Modica ein halbes Jahr später kaum mehr wiederzuerkennen: Mit ihrer Rasta-Frisur sieht die Tochter des Dortmunder Pizzeria-Betreibers nun aus wie Lara Croft oder die Boxerin Maggie aus „Million Dollar Baby“ – und gibt sich ebenso tough. Im Wald übt sie schießen. Und knallt, ohne mit der Wimper zu zucken, den rücksichtslosen Mafiosi Giuseppe „Pippo“ ab, als der sie vergewaltigen will.
Ihre überzeugende Verwandlung zur zentralen Krimi-Figur dieses „Tatort“ ist umso erstaunlicher, als dass die Darstellerin Emma Preisendanz keinerlei Schauspielausbildung hat.
„Tatort“-Schauspielerin: Wer ist Emma Preisendanz?
2002 in Tübingen geboren und danach in München „arg behütet“ aufgewachsen, stand Emma Preisendanz mit sieben Jahren erstmals vor einer TV-Kamera. Das geschah mehr aus Zufall: Eine Nachbarin suchte Kinderdarsteller für ein Casting der Sitcom-Serie „Ein Haus voller Töchter“ und fragte, ob sie mitmachen wollte. In den 35 Folgen spielte Emma Preisendanz die jüngste Tochter Katinka ‘Knöpfchen’ Vogel.
Es folgten weitere Nebenrollen in verschiedenen Fernsehfilmen. Beispielsweise spielte sie die Marie in der Tragikomödie „Was machen Frauen morgens um halb vier?“ (2012). Oder Alicia in der BR-Koproduktion „Holy Moms” (2018). Sowie zuletzt in „SOKO München: Endstation“ (2019), wo sie als Jana ein Mitglied einer Mädchengang verkörperte.
Kommt nach Preisendanz’ Abitur die Schauspielausbildung?
Inzwischen 18 Jahre alt, geht Emma Preisendanz noch zur Schule, momentan in die 11. Klasse eines Münchner Privatgymnasiums. Wenn sie 2022 Abitur gemacht hat, will sie Tiermedizin studieren – falls vorher nicht doch noch Hollywood anruft. Eine Schauspielausbildung hat sie bisher noch nicht absolviert. Auch ihre Ambitionen auf eine große Schauspiel-Karriere hielten sich in Grenzen, berichtet ihre Mutter. Schon als kleines Kind aber habe sie ein großes Talent gezeigt, sich natürlich in Figuren hineinzuversetzen.
Eine große Hilfe für die Aneignung die Rolle der „Tatort“-Sofia war tatsächlich die Frisur: Wegen der Corona-bedingten Drehunterbrechung von März bis Mitte Juli behielt Emma Preisendanz ihre Rasta-Zöpfe im Alltag. Das bescherte der ansonsten freundlichen, jungen Frau ungewohnte, sehr reale Erfahrungen – Fremde aus ihrer Umgebung empfanden sie als bedrohlich und schreckten vor ihr zurück, selbst wenn sie ihnen höflich die Tür aufhielt.
Unterstützung bei den Dreharbeiten erhielt Emma Preisendanz aber auch von den Mitspielern, die ihr mit vielen Kollegen-Ratschlägen zur Seite standen, vor allem auch von Regisseurin Pia Strietmann, die mehrfach schon mit jungen Schauspielern gearbeitet hat.
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„Tatort“-Regisseurin: Wer ist Pia Strietmann?
Obwohl das Drehbuch von Bernd Lange durchgehend über beide Teile des Jubiläums-„Tatort“ die Geschichte der Dortmunder Familie in den Fängen der kalabrischen Ndrangheta erzählt, wechselte im zweiten Teil die Regie. Pia Strietmann nutzt experimentierfreudig das „Tatort“-Format, um einen Gangsterfilm aus der Innensicht der Mafia und deren Opfer zu zeigen.
In Münster geboren, studierte Pia Strietmann bis 2011 Regie an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Für ihren Abschlussfilm „Tage, die bleiben“ wurde sie mit dem NDR-Filmpreis für den Nachwuchs ausgezeichnet. Sie wollte, sagte sie 2012 in einem Interview, jedes Genre möglichst nur ein Mal machen, um mit ihren Arbeiten nicht in eine Schublade gepackt zu werden.
Seit fünf Jahren arbeitet sie durchgehend für das öffentlich-rechtliche Fernsehen, seit drei Jahren trotzdem überwiegend im Bereich „Crime“: Nach zwei Folgen „Falk“ (2018) folgte 2019 der Spreewaldkrimi „Zeit der Wölfe“, wo auch schon die Emanzipierung einer Tochter von ihrem Vater Thema war.
Mit dem München-„Tatort“ „Unklare Lage“, der im Januar erstausgestrahlt wurde, zeigte Pia Strietmann noch mehr, dass das Format auch anders erzählt werden kann als in üblichen Polizeiermittlungsstandards: Dieser „Tatort“, ebenfalls mit Leitmayr und Batic, thematisiert den terroristischen Anschlag von 2016 im Olympia-Einkaufszentrum (OEZ). Und fokussiert viel stärker auf die verwirrende, hoch angespannte Situation unmittelbar nach der Bombenexplosion als auf die Suche nach dem Bombenleger. Lesen Sie dazu: „Tatort“ aus München – Wie nah ist er an der realen Vorlage?