Berlin. Erneut stand bei „Markus Lanz“ am Donnerstag die Corona-Pandemie im Mittelpunkt. Für heftigen Streit sorgte jedoch ein anderes Thema.
- In Deutschland startet wegen der stark steigenden Corona-Zahlen der zweite, wenn auch teilweise Lockdown
- Corona war am auch bei „Markus Lanz“ im ZDF Thema, für heftigen Streit sorgte aber die Wahlrechtsreform
- Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher und „Welt“-Journalist Robin Alexander bekamen sich deswegen in die Haare
- Markus Lanz sprach aber auch mit einem Forscher und der machte eine düstere Prognose
Eigentlich war die Sendung schon fast vorbei. Doch dann gab es plötzlich noch einmal richtig Zoff. So heftig, dass Markus Lanz sich versucht sah, den Blutdruck der Streithähne zu messen.
„Die SPD hat vorgeschlagen, dass ein direkt gewählter Parlamentarier nicht in den Bundestag kommt, wenn seine Partei zu wenige Zweitstimmen gezogen hat“, echauffierte sich gerade Robin Alexander, Chefreporter der „Welt“ und CDU-Kenner. „Sie haben doch eben dafür plädiert, dass wir versuchen sollen, den Bundestag zu verkleinern“, verteidigte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher die Idee seiner Partei, „was ist denn Ihr Vorschlag?“ Alexander pampte: „Versuchen Sie doch, die Wahlkreise zu gewinnen!“ – „Tun wir ja“, giftete der Politiker zurück.
Die beiden Herren stritten über die längst überfällige Wahlrechtsreform, die nicht vom Fleck kam, obwohl alle Beteiligten zugaben, dass der Bundestag mit aktuell 709 Abgeordneten viel zu „aufgebläht“ war.
Markus Lanz – Das waren die Gäste:
- Peter Tschentscher, Hamburgs Erster Bürgermeister (SPD)
- Robin Alexander, Journalist „Welt“
- Kerstin Rapp-Schwan, Gastronomin
- Klaus Stöhr, Epidemiologe
- Julius van de Laar, Strategieberater
„Markus Lanz“: Sind das deutsche und amerikanische Wahlrecht „dysfunktional“?
Das zu ändern, war aber auch echt kompliziert. Und wäre fast einen eigenen „Lanz“-Talk wert, wäre die Sache nicht zugleich auch so verzwickt-komplex und trocken-theoretisch. Immerhin waren sich beide einig, dass das deutsche, in Teilen ebenso „dysfunktionale“ Wahlrecht überhaupt nicht mit dem amerikanischen zu vergleichen sei: „Das ist wie eine andere Sportart“, verglich Robin Alexander die beiden Wahlsysteme.
Bei der amerikanischen Auszählung ist nicht entscheidend, wie viele Stimmen ein Kandidat oder eine Kandidatin auf sich vereinigen, sondern wie viele der 270 Wahlmänner er oder sie hinter sich bringen konnte. So hatte Hillary Clinton 2016 sogar drei Millionen Stimmen mehr bekommen als Donald Trump, aber mit 75.000 Stimmen das nötige Quantum an Wahlmännern verfehlt, und deshalb die Wahl verloren.
Der Streit war losgebrochen, nachdem Julius van de Laar das amerikanische „Spiel mit den Wahlbezirken“ skizziert hatte: Je nachdem, wie der Kongress eines Bundesstaates zusammengesetzt war, würden von den Abgeordneten der Mehrheitspartei vor jeder Wahl die Wahlbezirke neu zurechtgeschnitten. Das konnte zur vollständigen Verkehrung der Wahlergebnisse führen, erklärte der Politikwissenschaftler: „The winner takes it all“.
Warum in Deutschland Wahlkampf wie in den USA nicht möglich wäre
In fünf Tagen wählt Amerika einen neuen Präsidenten, aber eben auch zur Hälfte neue Abgeordnete für den Kongress. Nächste Woche will „Markus Lanz“ extra einen Schwerpunkt-Talk zum Ausgang der Präsidentschaftswahl bringen. Die Stippvisite des Strategieberaters, der 2012 als Wahlhelfer für Barack Obama im Einsatz gewesen war, sollte wohl auf das Event einstimmen.
75 Millionen Wahlberechtigte hätten bereits vorgewählt, bestätigte er. Inklusive Donald Trump, der sich in Florida, einem der entscheidenden Swing-States im „Sonnengürtel“, habe registrieren lassen und sich selbst per Briefwahl die Stimme sicherte. „Das ist schon jetzt eine Rekord-Beteiligung“ (im Vergleich zu 2016: 60 Millionen), bestätigte Julius van de Laar.
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Dann berichtete er, wie die beide Wahlkampfteams mit Tausenden Freiwilligen versuchten, selbst noch am Wahltag unentschiedene Wähler zu motivieren: Ausgerüstet mit Smartphones und einer App, die ihnen alle Informationen zum „gläsernen Wähler“ lieferte, klingelten sie an den Haustüren. Aber eben nur noch bei jenen Sympathisanten des eigenen Lagers, die wahrscheinlich noch nicht zur Wahl gegangen waren.
„In Deutschland wäre so etwas nicht möglich“, ergänzte Robin Alexander, da stünde der Datenschutz im Weg. „Da kommen Sie nicht weiter als bis zur Postleitzahl“, erläuterte er – wie die Erfahrungen von Peter Tauber, damals CDU-Generalsekretär, zeigten, der einmal versucht hätte, eine solche App entwickeln zu lassen.
Die neuen Corona-Maßnahmen dominierten den „Lanz“-Talk
Dominiert wurde der Talk an diesem Donnerstag jedoch – wie schon am Abend zuvor – von den Lockdown-Maßnahmen, die ab kommenden Montag gelten werden. Trotz wechselnder Gäste ging es wieder um den gleichen Fragenkreis: Wie umgehen mit den neuen Beschränkungen, reichen sie überhaupt, wie geht es weiter.
Mit Hamburgs Ersten Bürgermeister saß ein SPD-Ministerpräsident und Arzt im Phoenixhofer Studio, der bei seinem letzten „Lanz“-Besuch, einen Monat zuvor, noch die Ministerpräsidenten-Konferenz geleitet hatte. Nun war turnusgemäß Berlin an der Reihe und „seither ging es bergab“, flachste der Moderator zur Begrüßung. Lesen Sie hier: Kinos, Hotels, Bars: Das soll die Lockdown-Verlierer retten
Corona: Peter Tschentscher appelliert für Reduzierung der Kontakte
Das eine hätte mit dem anderen nichts zu tun, antwortete Peter Tschentscher auf seine ruhige, höfliche Art: „Schon im Sommer haben wir gesagt, im Herbst wird es schwerer“. Die neue flächendeckende Inzidenz zeigte, wie dringend es gewesen sei, den Lockdown jetzt zu beschließen, um die Dynamik zu unterbrechen. Was passiere, wenn das nicht gelinge, könnte man in Ländern wie Spanien, Frankreich oder Tschechien beobachten.
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„Wir müssen die Risikokontakte deutlich reduzieren“, betonte er, „in allen Bereichen, wo es irgendwie geht“. Und also auch in jenen, die uns besonders lieb seien: Theater, Restaurants und so weiter.
Das war dem Epidemiologe Klaus Stöhr noch lange nicht genug. Vor allem monierte er die Blauäugigkeit, nicht schon im Sommer Notfallpläne für den Herbst entworfen zu haben. Er vermisse immer noch eine klare Strategie. Lesen Sie auch: „Markus Lanz“: Arzt warnt vor überfüllten Intensivstationen
Epidemiologe: Jeder wird sich irgendwann mit dem Virus anstecken
„Jede Maßnahme ist sinnvoll“, sagte er, gab aber auch zu, dass niemand das Rezept kenne, wann was „genug“ sei. In einer Pandemie seien wir „wie Meteorologen, die einen Hurrikan kommen sehen“, erklärte er bildhaft: Auch gegen das Virus ließe sich nichts machen. „Letztendlich wird es leider so sein, dass es uns alle erreicht“, prophezeite der bekannte Epidemiologe und meinte damit, dass sich am Ende jeder einmal angesteckt haben wird.
Mitten in diese düsteren Aussichten der diesmal ausschließlich männlich besetzten Talk-Runde, meldete sich für gefühlte fünf Minuten, immerhin, eine weibliche Stimme zu Wort: Mit Kerstin Rapp-Schwan hatte Markus Lanz eine Hamburgerin per Video zugeschaltet, die im rheinischen Düsseldorf fünf Cafés betreibt. Nun berichtete sie aus der Praxis, wie der zweite Lockdown sie emotional und wirtschaftlich angeschlagen habe. Auch interessant: „Lanz“: Corona-Genesene appelliert an Masken-Verweigerer
Parallel zu der versprochenen Finanzhilfe, „die mir zeigt, dass wir doch wahrgenommen werden“, forderte sie vor allem eine baldige und zuverlässige Perspektive, wie es weitergehen sollte: „Damit wir wieder agieren und nicht nur reagieren können“, begründete sie: „Wir wollen unser Geld selbst verdienen.“
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