Berlin. Die „Hart aber fair“-Runde bot Einblicke in die Weltsicht von Verschwörungsideologen. Leider blieb die Runde nicht bei diesem Thema.

Michael Müller will es gewusst haben. Der Regierende Bürgermeister von Berlin sagt, er habe geahnt, was da auf die Stadt zukommt. Es sei schließlich nicht das erste Mal gewesen: „Es gab Vorläufer zu der Demo“, sagte Müller am Montagabend bei „Hart aber fair“.

Doch, was Berlin am Wochenende erlebt hat, schockierte viele: Zehntausende gingen gegen die Pandemie-Politik auf die Straße. Impfgegner, Esoteriker, Rechtsextreme, aber auch Menschen, die besorgt sind um ihre Freiheit. Sie alle demonstrierten gegen das, was in ihren Augen nicht sein darf. Ein unsichtbarer Feind. Ein Virus. Corona.

Ein Teil der Protestierenden durchbrach anschließend Absperrungen und lief die Stufen zum Reichstagsgebäude hinauf. Dabei wurden schwarz-weiß-rote Reichsfahnen geschwenkt. Einen „Sturm auf den Reichstag“, nannte es SPD-Mann Müller.

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    Es ist also an der Zeit, über den Einfluss von Rechtsextremen bei Corona-Demonstrationen zu reden. Über Gewalt und Hass. Und die Frage, wieso ein großer Teil der Protestierenden mit Nazi-Symbolen offenbar kein Problem hat.

    Das tat auch die Runde bei Frank Plasberg. Im Studio saß nicht nur der Regierende Bürgermeister von Berlin, der selbst etwas ratlos wirkte. Einen interessanten Einblick in die Szene all jener, die meinen, dass Corona nicht mehr als ein harmloser Schnupfen sei, lieferte die RBB-Moderatorin und Ärztin Julia Fischer.

    Niemand, so ihre These, sei vor Verschwörungsideologien gefeit – auch intelligente Menschen nicht. Die Wissenschaftsjournalistin machte sogar einen bestimmten Typus Mensch aus, der dafür empfänglich sei: „Häufig sind es Leute, die wenig stressresistent sind und ein hohes Geltungsbedürfnis haben“, sagte Fischer.

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    Dass ausgerechnet Corona Verschwörungsideologien Auftrieb bereitet, erklärte die Medizinerin so: Das Virus sei als Bedrohung schwer zu greifen. Mit einem Kontrollverlust könnte das menschliche Gehirn aber schlecht umgehen. Also greife es zu einfachen Antworten und Mustern. „Wir finden Gleichgesinnte, das bestärkt uns“, so Fischer. Das gebe das Gefühl, wieder die Kontrolle zu haben. Auch wenn diese Form der Kontrolle mitten in einen braunen Sumpf führen kann.

    „Hart aber fair“-Sendung wird zum Corona-Schnelldurchlauf

    Es bleiben viele Fragen nach diesem Wochenende: Wächst da eine neue Bewegung heran? Wie gefährlich ist der Protest für die Demokratie? Welche Rolle spielen AfD und Rechtsextreme? Die Plasberg-Redaktion entschied sich, das Thema nicht weiter zu vertiefen. Die Sendung sollte ein Corona-Schnelldurchlauf werden. Alles, was irgendwie wichtig ist, in 75 Minuten verpackt. Kann man machen. Funktioniert nur meistens nicht.

    Da klagte in einem Moment der Moderator und Kabarettist Bernd Stelter – zu Recht, wohlgemerkt – über das Leid der Kulturschaffenden. Seine düstere Prognose: Mehr als die Hälfte der privaten Theater sei im nächsten Jahr pleite.

    Doch im nächsten Moment ging es schon weiter. Da zeigte die Plasberg-Redaktion einen Einspieler, in dem junge Menschen, dicht an dicht, feiern, lachen, trinken. Corona? Uns doch egal. Sie sagten das sogar. FAZ-Journalist Jasper von Altenbockum konnte da nur mit dem Kopf schütteln. „Ist es wirklich so schlimm, wenn man ein Jahr auf Partykultur verzichtet?“, fragte er.

    Doch in der Runde war er, etwas überraschend, der einzige, der das so sah. Selbst die durch Asthma vorbelastete Publizistin Lamya Kaddor hatte Verständnis für nächtliche Raves in Berliner Parkanlagen.

    Weiter ging’s mit den Infiziertenzahlen und Reiserückkehrern, die das Virus oft mitbringen. 40 Prozent der Neuinfektionen gehen auf Urlauber zurück. So weit, so bekannt.

    Corona-Regeln bieten Zündstoff für ARD-Talk

    Etwas Zündstoff bot immerhin noch das letzte Fass, das Frank Plasberg an diesem Abend öffnete. Für Feiern im privaten Raum gibt es keine einheitlichen Regeln – sehr zum Leidwesen der Kanzlerin. Angela Merkel wollte eine Grenze bei 25 Personen (zu Hause) und bei 50 (in Gaststätten) ziehen. Doch die Ost-Ministerpräsidenten machten einen Strich durch die Rechnung.

    Den Verweis auf ein geringes Infektionsgeschehen fand FAZ-Mann Jasper von Altenbockum nachvollziehbar. Er stellte aber die Frage, inwiefern politische Gründe bei der Ablehnung eine Rolle gespielt hätten – vor allem die Angst vor der AfD, die im Osten stark ist.

    In Berlin dürfen sich sogar wieder 700 Leute in geschlossenen Räumen versammeln. Das bedeute aber nicht, dass jeder machen könne, was er wolle, versicherte der Regierende Bürgermeister. Ein Hygienekonzept müsse es schon geben. Er wisse aber auch, dass manche Leute es umgehen werden. „Das kann ich nicht verhindern“, sagte Müller. Ein Satz, der nach diesem Wochenende auch zu Berlin passt.